Die Muse des Mörders (German Edition)
nachhaken sollen, was aus Anne geworden war. Madeleine schwor sich, Marie niemals aus den Augen zu verlieren, denselben Fehler nicht noch einmal zu machen.
Oliver nickte nervös und wischte sich fahrig die Haare aus der Stirn.
»Du hast ihr nichts gesagt, oder?«
»Das habe ich dir doch versprochen.«
Er lächelte dankbar, doch sein Blick war schmerzvoll.
Madeleine blickte kurz zu dem Beamten, der jetzt in der Nähe der Tür stand und ihr Gespräch überwachte. Ungestörte Gespräche waren nur erlaubt, wenn keine Missbrauchsgefahr bestand, und ihre verschwiegene persönliche Bindung stellte eine solche dar.
»Beim letzten Mal sind wir unterbrochen worden, Oliver. Du wolltest mir noch etwas erzählen.«
Oliver sah sie an und dachte nach, doch dann schüttelte er den Kopf.
»Es tut nichts mehr zur Sache.«
»Wenn du weißt, wer ihn getötet hat, dann kann dich das doch nur entlasten.«
»Wenn es ans Licht kommt, wird derjenige sich verteidigen. Er kennt die Wahrheit über René und er wird sie sicher nicht für sich behalten. Marie …«
Madeleine hob die Hand. Sie musste das nicht noch einmal hören. Sie hatte verstanden, dass er bereit war, sich für Maries Seelenfrieden zu opfern, und seine Entscheidung ehrte ihn. Doch so sehr sie Marie gerade zu mögen lernte, mochte sie auch Oliver. Es war nicht gerecht, dass er hier im Gefängnis saß, vielleicht für den Rest seines Lebens, obwohl er nichts von dem getan hatte, was ihm vorgeworfen wurde.
»Du kannst mir vertrauen, Oliver. Ich werde die Wahrheit für mich behalten, aber vielleicht finde ich trotzdem eine Lösung. Einen Weg, dich hier herauszuholen.«
Er sah sie an und Hoffnung flammte in seinen Augen auf. Trotzdem schüttelte er den Kopf.
»Das musst du nicht. Das ist alles viel zu viel und …«
»Oliver!«
Er verstummte.
»Ich weiß schon selbst, was ich mir zumuten kann. Sag mir, was in dieser Nacht passiert ist. Bitte.«
Oliver blickte zu dem Beamten. Es sah aus, als würde er mit sich selbst ringen.
»Ich dachte in dieser Nacht wie gesagt, dass er loszieht, um dir etwas anzutun«, flüsterte er schließlich, den Beamten weiterhin im Auge behaltend. »Das konnte ich nicht zulassen. Also bin ich ihm gefolgt, aber er ging nicht zu dir. Er war hinter jemand anderem her.«
Madeleine sah ihn gespannt an. Wenn es eine Möglichkeit gab, ihm zu helfen, ohne die ganze Wahrheit ans Licht kommen zu lassen, dann würde sie sich aus seinen Worten ergeben.
»Wir wussten beide, dass er tödlich getroffen ist. Während ich ihn nach Hause brachte, schrie ich ihn immer wieder an, dass er die Wunde zudrücken solle, dass er wach bleiben solle, aber er hatte nur Augen für den Schmuck, den er zurück in seinen Besitz gebracht hatte. Was nützt der Schmuck den Toten, sagte er und lachte. Er verstand, dass er im Sterben lag, und es war ihm egal. Ich brachte ihn in die Werkstatt. Dort wurde er bewusstlos. Ich nahm ihm den Schmuck ab und versteckte ihn mit dem Dolch in meinem Rucksack.«
»Warum?«
»Wenn Marie diese beiden Dinge bei ihrem Vater gesehen hätte, dann hätte sie doch eins und eins zusammengezählt. Ich dachte nicht lange nach. Ich ließ den Rucksack in der Werkstatt, holte Marie und … den Rest kennst du ja.«
Madeleine und Oliver sahen einander sekundenlang nur an. Sie hatte mit vielem gerechnet, doch die Wahrheit erschütterte sie mehr, als sie gedacht hatte. Trotzdem glaubte sie, dass sich eine Lösung abzeichnete.
»Du musst durchhalten, Oliver.«
Er nickte und wischte sich mit der Hand über das müde Gesicht.
»Durchhalten kann ich.« Er lächelte schief, doch seine Augen blieben ernst.
Madeleine stand auf. Sie wusste, was sie zu tun hatte.
86.
»Hören Sie mir doch zu, Reinhardt!«, rief Madeleine.
Der Polizeipräsident schüttelte energisch den Kopf.
»Nachdem Sie uns schon einmal für dumm verkauft haben? Vergessen Sie’s!«
»Ich habe Informationen, die Oliver Brunner entlasten.«
»Von wem haben Sie diese Informationen?« Reinhardt beugte sich vor. »Von Brunner selbst?«
»Das spielt doch keine Rolle. Sie müssen mich trotzdem anhören und Sie müssen der Sache nachgehen.«
»Sagen Sie mir nicht, was ich …«
»René Kardos wurde mit der Pistole eines Polizeibeamten niedergeschlagen.«
Reinhardt starrte sie an, dann schüttelte er wieder den Kopf.
»Unmöglich!« Er sprang auf und lief zum Fenster.
»Oliver hat gesehen, wie es passiert ist.«
»Ach ja? Welcher meiner
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