Die Muse des Mörders (German Edition)
dir sicher?«
»Es tut mir alles so leid, Hannah.« Dominik nahm seine Frau in die Arme und zog sie an sich. Er spürte, dass Hannah zögerte, dann legte sie ihre Stirn an seine Brust und weinte.
56.
Das InterContinental Wien war ein hässlicher eckiger Bau, der erst in den Abendstunden etwas an Glanz gewann. Madeleine hatte heute allerdings kein Auge für das Gewirr aus erleuchteten Fenstern. Sie durchquerte das Eingangsportal, lief vorbei am Portier und der Rezeption zu den Aufzügen, dicht gefolgt von Lucy. Zwei Rezeptionisten blickten ihr verwundert hinterher, doch sie kümmerte sich nicht darum.
Sie drückte auf den Aufzugknopf und die Türen öffneten sich mit einem freundlichen Klingeln. Madeleine sah ihr eigenes Spiegelbild, während sie die Kabine betrat. Lucy folgte ihr atemlos mit wirren Haaren, die sie gedankenverloren glatt strich, während sich der Lift in Bewegung setzte.
»Was hat er denn genau gesagt?«, fragte sie atemlos.
Auch Madeleine rang nach Atem und legte sich eine Hand auf die Brust.
»Ich habe nur mit dem Mädchen gesprochen. In jedem Fall wollte er keinen Arzt. Dieser störrische alte …« Sie suchte nach dem richtigen Wort, aber sie kam nicht dazu, zu Ende zu sprechen.
Die Türen öffneten sich und sie erreichten Georgs Stockwerk. Madeleine umklammerte ihre Handtasche fester und verließ, so schnell sie konnte, die Kabine. Der Flur war leer und wurde von warmen Wandleuchten erhellt, die im Normalfall wahrscheinlich eine beruhigende Wirkung hatten, doch sie fühlte sich wie aufgeputscht.
Sie wünschte sich, ihr Bruder wäre gar nicht erst aus London angereist, dann hätte sie sich in Ruhe um die Dinge kümmern können, die momentan wirklich ihre Aufmerksamkeit forderten. Die Trauer um Paul und die Bedrohung durch einen gemeingefährlichen Mörder. Stattdessen musste sie wieder einmal die Suppe auslöffeln, die Georg sich eingebrockt hatte.
Vor Zimmer 157 blieb sie stehen und klopfte an die Tür. Schritte aus dem Inneren des Zimmers, dann öffnete eine dunkelhäutige Schönheit mit weit auseinanderstehenden Mandelaugen die Tür. Verstört musterte sie erst Lucy, dann Madeleine und trat schließlich zur Seite.
»Ich bin so froh, dass Sie kommen konnten«, sagte sie.
»Schon gut«, rief Madeleine, obwohl sie nicht unfreundlich zu der jungen Dame hatte sein wollen. »Wo ist er?«
»Im Badezimmer.« Die junge Frau, die Jennifer sein musste, stöckelte auf glitzernden Sandaletten voraus und öffnete die Tür. Außer den halbseidenen Schuhen trug sie nur ein kurzes Kleidchen, das ebenfalls silbern glitzerte.
»Wartet hier. Alle beide.« Madeleine betrat das schwülwarme Badezimmer und schlug die Tür hinter sich zu. Erst jetzt, als sie innehielt, spürte sie, wie ihr Herz raste und wie schwindelig ihr war.
»Madeleine.« Ihr Bruder klang betrunken. Sie entdeckte ihn zusammengesunken in der leeren Badewanne, mit nichts als einem schwarzen Satinbademantel bekleidet, der für Madeleines Geschmack zu tiefe Einblicke gewährte. In der Rechten hielt er einen halbvollen Kelch mit roséfarbenem Champagner, in der Linken eine Zigarre, die vor sich hin qualmte und die Luft im Badezimmer noch unerträglicher machte.
Madeleine lehnte sich schwer gegen die vom Wasserdampf feuchte Tür und holte ein paar Mal tief Luft, bevor sie antwortete.
»Denkst du eigentlich nur an dich?«
»Möchtest du vielleicht auch ein Gläschen?« Georg stellte sein Glas auf dem Badewannenrand ab und griff nach einem zweiten, leeren, an dem Lippenstiftspuren klebten. »Wenn du schon mal hier bist.«
»Ich bin hier, weil deine Freundin …«
»Sie ist eine Prostituierte, aber danke für dein Taktgefühl.«
»Weil diese Prostituierte mich völlig panisch angerufen hat. Angeblich bist du beim … beim … bei was weiß ich für Spielchen in der Dusche zusammengebrochen, hast dir das Herz festgehalten und warst nicht mehr ansprechbar.«
Zwar war er laut Jennifer Leopolds Aussagen wieder zu Bewusstsein gekommen, hatte sich danach aber standhaft geweigert, sie einen Arzt rufen zu lassen. Nur seine Schwester wollte er sehen, für den Fall, dass es mit ihm zu Ende ging.
»Hast du eine Ahnung, was ich mir für Sorgen gemacht habe?«
Georg lachte vergnügt und der selbstverliebte Dandy, der er einmal gewesen war, blitzte für einen Moment durch seine verschrumpelten Züge, dann zerriss ein heftiges Husten sein Lachen und die Illusion verflog. Madeleine versuchte, sich zu beruhigen,
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