Die Muse des Mörders (German Edition)
doch es wollte ihr nicht gelingen. Ihr Puls verlangsamte sich nicht und nach wie vor bereitete ihr jeder Atemzug große Mühe. Wie immer, wenn sie mit Georg zu tun hatte, machte seine egozentrische Art sie rasend.
»Wenn du dir Sorgen machen würdest, wärst du vielleicht irgendwann während der vergangenen Jahre einmal bei mir aufgetaucht. Ich werde nicht jünger, Maddy. Die Uhr tickt.«
Ihr Blick fiel auf eine Palette charakteristisch blauer Pillen, die angebrochen im Waschbecken lag.
»Sie wird nicht gerade langsamer ticken, wenn du so ein Zeug nimmst.« Ihre Stimme klang lallend und rauschte in ihren Ohren, wie eine Tonstörung im Fernsehen.
»Ich bin nun einmal keine zwanzig mehr und mein …« Der Rest seiner Worte versank in einem lauten Piepsen, das nun ihren Kopf erfüllte und ihre Ohren für alles andere taub machte. Gleichzeitig verengte sich ihr Sichtfeld zu einem schmalen, an den Rändern ausgefransten Tunnel. Sie spürte, wie die Tür an ihrem Rücken hinaufglitt. Das Letzte, das sie sah, war, wie Georgs Lippen ihren Namen formten und er, sportlicher als sie ihm zugetraut hätte, aus der Wanne sprang, dann wurde alles schwarz.
57.
Seit sich Dominik heimlich aus seinem eigenen Haus gestohlen hatte, fühlte er sich wie auf dem Präsentierteller. Es sollte das letzte Mal sein, das hatte er sich fest vorgenommen, doch seine Nerven lagen blank und seine Gedanken schweiften immer wieder ab. Keine gute Voraussetzung.
Hannah und er hatten abgemacht, ihr Gespräch auf die Zeit nach dem Dolchstoßmörder zu verlegen. Sie waren sich einig, dass es dringend nötig war, endlich über alles zu reden, und wollten sich gegebenenfalls Hilfe holen. Dominik hatte ihr genau wie Reinhardt versprochen, dass sich in der kommenden Woche etwas ändern würde. Er war sich nicht sicher, ob sein Plan funktionieren würde, aber wenn, dann würde er dem Killer vielleicht schon heute Nacht Handschellen anlegen können. Wenn nicht … Er hatte den Entschluss gefasst, seinen Job hinzuwerfen, wenn es ihm nicht gelingen würde, den Mörder zu fassen. Es ging nicht nur um seine Ehe, sondern auch um die Kinder, und sein egoistisches Verhalten musste ein Ende haben, so oder so.
Als ihm klar wurde, wie viel von seinem Vorhaben abhing, verkrampfte sich seine linke Hand um die Schatulle mit den Ohrringen. Seine Rechte lag locker auf der Glock in seiner Jackentasche. Es fühlte sich komisch an, nachts allein und ohne Auto unterwegs zu sein. Er wusste nicht, ob der Killer bereits irgendwo hinter ihm war oder in irgendeiner Gasse auf ihn lauerte. Möglicherweise zielte er mit einer Pistole auf ihn oder wartete an der nächsten Kreuzung, um ihn über den Haufen zu fahren. Dominik zügelte seine Fantasie, konnte die Schreckensbilder aber nicht völlig verdrängen. Mit jedem Schritt, den er vorwärts tat, schrumpfte sein Selbstbewusstsein und das Verlangen, sich umzudrehen, wuchs. Obwohl kein Auto in Sicht war, blieb er an der Ampel stehen und warf einen Blick nach links und rechts.
Die Straße und der sonst so überfüllte Praterplatz waren verlassen. Es war bereits weit nach Mitternacht und die vielen Fahrgeschäfte hatten längst geschlossen. Er erinnerte sich, dass Lea einmal gefragt hatte, was nachts mit der riesigen Geisterbahn passieren würde. Als er ihr erklärt hatte, dass alles bis zur Wiedereröffnung am nächsten Morgen an seinem Platz blieb, war sie besessen von dem Gedanken gewesen, auch einmal nach Geschäftsschluss herzukommen, um zu sehen, ob die Monster und Hexen der Geisterbahn nachts wie ganz normale Menschen schliefen. Dominik hoffte, dass heute nur ein einziges Monster unterwegs war, bereit, sich endlich schnappen zu lassen.
Die Ampel schaltete auf Grün und er überquerte die Straße zielstrebig in Richtung Park. Obwohl ihn der Killer erst seit gestern beobachten konnte, wollte Dominik kein Risiko eingehen und ging den gleichen Weg, den er sonst immer zu Rebecca fuhr. Er wusste schließlich nicht, wie viel Zeit der Mörder brauchte, um Informationen über ihn zusammenzutragen, und wollte sich nicht unglaubwürdig machen.
Er verlangsamte seine Schritte, als seine Füße die Rasenfläche der Kaiserwiese berührten, und schaute sich um. Vor ihm lag der Park, stockdunkel und gespenstisch. Das mächtige Wiener Riesenrad ragte wie ein Dinosaurierskelett in den nachtblauen Himmel und wirkte noch imposanter als tagsüber. Dominik steuerte geradewegs darauf zu. Durch die Bäume war er vor Blicken von der
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