Die Mutter aller Stürme
der Wind über die
befestigten Küsten fegte, wurde das verfügbare Frequenzband
im Verlauf der Nacht immer schmaler, so daß zuerst das
kommerzielle XV weichen mußte, dann mußte das Fernsehen
auf die alte Niedrigauflösung gehen, und von den Bildtelefonen
funktionierte nur noch der Audio-Kanal… Mittlerweile kommen
diverse fragmentarische Sprechfunkverbindungen zustande, und immer,
wenn ein Satellit in geringer Höhe über den Inseln steht,
setzen einige Funkamateure auf Lanai und Molokai einen Lagebericht
ab… aber der Sturm ist zu heftig, als daß man eine
Außenantenne hätte aufrichten können, und deshalb
erreichen ihre Signale gerade den niedrigen Orbit in zirka
hundertfünfzig Kilometern Höhe.
Admiral Singh meldet sehr schwere See und daß der
Trägerverband sich in höchster Gefahr befände, aber
dennoch entfernt er sich stetig vom Wirbelsturm ›Clem‹, und
man kann davon ausgehen, daß die Flüchtlinge von Midway
unversehrt in Hawaii ankommen.
Im Gefolge von ›Clem‹ toben Gewitter entlang der
Westküste, aber die meisten hawaiianischen Flüchtlinge sind
noch rechtzeitig eingeflogen worden, bevor es richtig schlimm wurde,
und es wurden auch keine Todesopfer gemeldet. Die
Dienstgipfelhöhe der VTOL-Flugzeuge ist so hoch, daß die
Transpazifik-Flüge nicht gestrichen werden müssen, und dem
Vernehmen nach sind die Leute ganz wild darauf, einen Fensterplatz
auf der linken Seite zu ergattern, um ›Clem‹ aus einer
Höhe von hundertsechzig Kilometern zu betrachten.
Seufzend wirft Hardshaw einen Blick auf das vor ihr liegende
Dokument. Offiziell gibt es keine Probleme – aber nur deshalb,
weil der Informationsfluß von Hawaii völlig versiegt ist.
Die schwere Sturmflut im Kielwasser von ›Clem‹ wird nach
der letzten Richtungsänderung wahrscheinlich die
Südküste von Mexiko heimsuchen, aber die besteht
überwiegend aus felsigen Steilhängen mit nur wenigen
Badeorten, mit deren Evakuierung die mexikanische Regierung keine
Probleme haben dürfte. Die ältere Flutwelle nähert
sich währenddessen der Küste von Washington und British
Columbia, wobei die Evakuierung der tiefliegenden Küstengebiete
durch den heftigen Regen erschwert wird.
Die Antwort auf die Frage ›Was ist mit Hawaii?‹ bleibt
indes aus. Die Hauptinseln haben die Kommunikation in schöner
Reihenfolge eingestellt, zuerst Kauai, vor wenigen Stunden dann
Hawaii – ein heller Mitarbeiter bei der FEMA hat einen Wert
registriert, der als ›Stumme Zahl‹ bezeichnet wird –
Beaufort-28. Das heißt, wenn ein Sturm die Stärke 28 auf
der Beaufort-Skala erreicht, bricht die gesamte reguläre
Kommunikation zusammen.
Oahu scheint es bis 29 geschafft zu haben, wohingegen Nihau
bereits bei 25 dichtgemacht hat, aber generell hat die Regel sich
bestätigt.
Soeben ist der Sturm jedoch mit maximaler Wucht über Oahu
hinweggezogen, wo der Großteil der Bevölkerung des Staates
lebt. Es steht außer Frage, daß viele Menschen auf den
Autobahnen festsitzen müssen, und die maximale Windstärke
erreichte Beaufort-35, mehr als genug, um Autos durch die Luft zu
wirbeln, so daß mit einigen zehntausend Toten gerechnet werden
muß. In vielen Fällen verlaufen die Straßen dicht an
der Küste; mit hoher Wahrscheinlichkeit wurden ganze
Fahrzeugkolonnen ins Meer gespült und liegen jetzt auf dem
Meeresgrund.
Auf den Radarschirmen zeichnen sich fünfzehn bis zwanzig
Meter hohe Wellen ab, die im Schlepptau von ›Clem‹ ein
kreisförmiges Muster bilden und die Schutzeinrichtungen an den
Küsten vernichten. Der Regen – wobei man sich wiederum nur
auf das Satellitenradar stützen kann – ist so heftig,
daß man sogar damit rechnen muß, daß viele Menschen
durch Hochwasser umgekommen sind, und es besteht kein Zweifel daran,
daß von den Zentralvulkanen der Inseln wahre Sturzfluten zu Tal
strömen.
Also wird es sehr hohe Verluste an Menschenleben geben, und noch
viele mehr werden an Unterkühlung, Krankheiten und durch das
Wasser verursachte Infektionen sterben, bevor Rettungsmaßnahmen
eingeleitet werden können. Kein Gebäude der Welt, mit
Ausnahme der paar atombombensicheren Bunker, war jemals für
solche Windstärken ausgelegt, und obwohl es zweifellos
vereinzelte Überlebende gibt, muß davon ausgegangen
werden, daß die ganze Infrastruktur zerstört ist. Um das
zu wissen, braucht man es nicht erst gesehen haben.
Über Kauai ist der Sturm bereits auf Beaufort-18 abgeflaut
– nur noch ein sehr starker ›konventioneller‹
Wirbelsturm –, aber
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