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Die Mutter aller Stürme

Die Mutter aller Stürme

Titel: Die Mutter aller Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Barnes
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der Wind auf ein Objekt ausübt, ist eine aus
zwei Komponenten bestehende Funktion: das Quadrat der
Windgeschwindigkeit und der Strömungswiderstand der dem Wind
zugewandten Fläche. Bei einer turbulenten Strömung
erhöht sich mit dem Strömungswiderstand die Reibung und
damit auch der Druck des Windes. Deshalb erhöht sich bei
gleicher Geschwindigkeit der Kraftstoffverbrauch eines mit offenen
Fenstern fahrenden Autos im Vergleich zu einem Fahrzeug mit
geschlossenen Fenstern – die offenen Fenster teilen und
verwirbeln den Luftstrom, wirken wie eine Bremse und verursachen
Turbulenzen.
    Die Bö reduziert sich bereits wieder auf die
ursprüngliche Windgeschwindigkeit, aber für Bill und Candy
kommt es zu spät. Die auf die Fassade des Royal Hawaiian
Hotel wirkende Kraft wäre gegenüber dem Zeitpunkt ihres
Orgasmus nun sechsmal so hoch – aber das war, bevor der Wind
durch die leeren Fenster und die unzähligen Flure und Korridore
des Hauses fegte. Die zusätzlichen Turbulenzen wirken sich
exponential aus – der Prozentsatz des Windes, der durch das
Gebäude fährt, anstatt an ihm vorbeizustreichen,
vervielfacht sich.
    Noch bevor sie sich vor Angst die Lunge aus dem Leib geschrien
haben, kollabieren die dünnen rosa Mauern des Royal Hawaiian, der hohe Zentralturm bekommt Risse und fällt
landeinwärts, die Innenwände und Fußböden, die
einem dutzendfach vektorierten Auftrieb unterliegen, werden aus den
Befestigungen gerissen, und das Schieferdach rollt sich wie der
Deckel einer Sardinenbüchse auf und segelt wie ein Bettlaken im
Gewitter landeinwärts, wobei die scharfkantigen Platten zur Erde
herabregnen wie Häckselmesser.
    Die Scherkräfte erweisen sich als zu stark für die
Statik des Gebäudes, und das Royal Hawaiian stürzt
ein, wobei die Windböen große Trümmer in die
benachbarten Geschäfte und Restaurants sowie auf den Ala
Wai-Golfplatz schleudern.
    Das alles läuft so schnell ab, daß Bill und Candy nicht
die geringste Chance haben, zu reagieren. Der Sog der durch ihr
Zimmer jagenden Bö reißt den Fußboden heraus und die
Decke herunter; Bill bleibt nicht einmal die Zeit, Schrecken zu
empfinden oder den Vorgang überhaupt bewußt wahrzunehmen,
als Candys Kopf von einem Trümmerbrocken zermanscht wird wie ein
Kürbis, denn er segelt quer durch den Raum – er umklammert
noch immer ihren Torso – und schlägt mit dem Kopf gegen
eine Kante, die ihm den Schädel zerschmettert.
    Ed Porter hat alles auf Band. Passionet wird es ihm
fürstlich lohnen. Und er verfolgt das alles aus sicherer
Höhe. Er ist echt high und vollführt ein
Freudentänzchen, und um den aufgestauten Druck auszugleichen,
schaltet er sich aus dem letzten leidenschaftlichen
Geschlechtsverkehr (zusammen mit einigen anderen Erinnerungen) eine
Endlos-Schleife mit Candys Orgasmen, wobei er die Pausen zwischen den
einzelnen Orgasmen mit der Szene ausfüllt, in der ihr Kopf
zerquetscht wird. Davon wäre Passionet zwar weniger
begeistert, aber Ed hat so seine Verbindungen, und er kennt einige
Orte, an denen das ein Knüller ganz anderer Art wäre; er
läßt das Band laufen, masturbiert und ejakuliert immer
wieder an der Schnittstelle zwischen animalischer Ekstase und Tod,
wie ein wildgewordener Stier…
    Eine halbe Stunde später sitzt er noch immer dort, reibt sich
den wunden Penis und versucht mit glasigen Augen, noch einen Orgasmus
aus Bill und Candy herauszuholen, als das Bruchstück einer
bronzenen Fahnenstange, das von einem städtischen Denkmal in der
Nähe losgerissen wurde, sich durch die Passionet- Bürosbohrt und dem Wind einen Angriffspunkt
schafft; kurz darauf fliegt das Gebäude explosionsartig
auseinander – aber das ficht den mit heruntergelassener Hose
dasitzenden Ed Porter, dem die Fahnenstange durch die Brust gedrungen
ist, nicht mehr an. Binnen weniger Sekunden sind die Aufzeichnungen
der letzten Minuten von Bill und Candy patschnaß,
durcheinandergewirbelt und unwiederbringlich davongeweht.
     
    Langsam werden die Satelliten knapp, und nur von Edwards und
Baikonur sind noch Starts möglich. Die Kasachen waren sehr
kooperativ, aber ihr Raumhafen ist schon alt (kaum zu glauben,
daß er schon lange vor Präsidentin Hardshaws Geburt in
Betrieb genommen wurde), und die Einrichtungen in Edwards waren von
vornherein nur für gelegentliche militärische Missionen
konzipiert.
    Zudem gestaltet es sich schwierig, ›Clem‹ von einem
unbemannten Flugkörper erkunden zu lassen. Während der
Sturm auf den Norden von Hawaii zuhielt und

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