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Die Mutter aller Stürme

Die Mutter aller Stürme

Titel: Die Mutter aller Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Barnes
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die Verbindung zur Insel ist nach wie vor
unterbrochen, und es wird auch keine Bewegung gemeldet außer
dem Wirken des Wassers und des Windes. Ein paar verwegene
Hubschrauberpiloten der Army, die dazu ausgebildet wurden, Landungen
auch unter widrigen Bedingungen durchzuführen, werden versuchen,
in Lihue runterzugehen, der ersten Stadt, wo ein solches Wagnis auch
nur entfernt denkbar ist – wenn sie dort ankommen,
müßte der Sturm schon auf Beaufort-12 abgeflaut sein, was
eine Landung zwar erschwert, aber nicht ausschließt.
Theoretisch ist der Absturz eines Staticopters mit seinen
mehreren hundert elektrostatisch aufgeladener Rotorblätter, die
jeweils über zehn Reserveblätter verfügen,
unmöglich, solange der Treibstoff nicht ausgeht oder das
Triebwerk nicht ausfällt.
    Sie wünscht ihnen alles Glück. Plötzlich hat sie
die alptraumhafte Vision, daß die Wetterbedingungen sich wieder
so verschlechtern, daß alle Rotorblätter abgerissen werden
und die zehn Reserveblätter dazu und daß die Besatzungen
in das aufgewühlte schwarze Meer fallen. Sie weiß wohl,
daß Staticopter bereits bei Windstärke 13 und 14
aufgestiegen sind und daß es sich um erfahrene Piloten handelt
– aber im Moment ist die Sorge um zehn junge Männer, die
sterben könnten, gegenständlicher als der Gedanke an
Zehntausende von Menschen, die mit Sicherheit schon tot sind.
    Während ›Clem‹ sich austobt, sind schon tausend
Prognosen über Hardshaws Schreibtisch gewandert:
möglicherweise traten gigantische Flutwellen von einer
Länge auf, die dem Radius des Super-Wirbelsturms entspricht, so
daß die Inseln von einer Springflut heimgesucht wurden, die
hoch genug war, Honolulu und die meisten anderen Städte
auszulöschen; anhand eines verschwommenen Radarbildes wurde
sogar die Vermutung geäußert, daß eine solche Welle
den tiefergelegenen Teil von Oahu überflutet hätte,
über Pearl Harbor und die Wheeler-Luftwaffenbasis hinweggerast
und schließlich über Waialua im Nordwesten ins Meer
zurückgeflossen wäre.
    Alles ist möglich, nur nichts Gutes.
    Stöhnend erhebt Hardshaw sich vom Stuhl. Sie ist schon zu
lange auf und hat zu lange am Schreibtisch gesessen. Außerdem
hat sie zu viel Kaffee getrunken und denkt schon wieder an den
nächsten. Dies ist nicht das erstemal, daß sie sich wie
Präsidentin Großmutter fühlt – Teufel, bei dem
Job würde sich jeder wie eine alte Frau fühlen, vielleicht
hatte Kennedy sich sogar wie eine alte Frau gefühlt.
    In Ordnung, alte Frau, was soll’s, du hättest ja auch
Hamburger braten oder Rancher bei ihren Streitsachen vor Gericht
vertreten können. Sie streckt sich und sieht Harris Diem
hereinkommen. Er hat einen ungesunden grauen Teint, und sie
weiß nicht, ob sie ihn jemals schon ohne Krawatte gesehen hat.
Aber mit Sicherheit nicht mit so wirrem Haar und solchen Ringen um
die Augen.
    »Die UN«, sagt er. »Rivera möchte Sie
sprechen. Wir haben ihn um zehn Minuten vertröstet, für den
Fall, daß Sie sich noch etwas herrichten
möchten.«
    »Dafür reichen zehn Minuten nicht aus, aber ich werde
sehen, was ich tun kann.« Sie geht ins Bad, überlegt kurz
und befindet schließlich, daß Rivera sich ruhig schon mal
daran gewöhnen soll, auf die Präsidentin zu warten, zieht
das Kleid aus, stülpt sich eine Badekappe über und dreht
die Brause auf. Sie hat gerade für eine Minute warmes Wasser,
kaum genug, sich notdürftig einzuseifen und das Wasser
abzuschütteln, bevor sie die Sauna betritt, wo sie sich mit
großen, flauschigen Handtüchern abtrocknet, aber sie
bemüht sich, jede Sekunde zu genießen. Nach der
Rekultivierung fühlt sie sich zwar noch immer wie eine alte
Frau, aber wenigstens wie eine saubere alte Frau, und als sie ein
Reservekostüm vom Kleiderbügel nimmt, verspürt sie
sogar einen Anflug von Siegesstimmung.
    Bisher hat sie Rivera ganze dreizehn Minuten warten lassen. Das kann ich mir als Repräsentantin der
mächtigsten Nation der Welt erlauben, findet sie. Machen wir
fünfzehn daraus, fünf mehr als vorgesehen. Er soll ruhig
merken, daß er nicht über grenzenlose Macht
verfügt… sie prüft ihr Make-up, bessert hier und
da nach und fährt sich noch einmal mit der Bürste durchs
Haar…
    Im Grunde ist es nur ein Indiz für ihre Müdigkeit,
daß sie einen derartigen Humor entwickelt, aber sie stellt sich
einen Beitrag im XV-Magazin ›Beruf und Chance‹ vor, dessen
Zielgruppe junge Frauen sind -›Ihre Karriere als Staatsoberhaupt
einer Weltmacht. Wie immer, sind eine

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