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Die Mutter aller Stürme

Die Mutter aller Stürme

Titel: Die Mutter aller Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Barnes
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könnte er die Constitution mit einem Antriebssystem versehen – sie
dürfte aber nur langsame Fahrt machen, weil die Verstrebungen,
von denen sie zusammengehalten wird, für eine maximale
Beschleunigung von gerade einem zwanzigstel Ge ausgelegt sind –
und in eine Umlaufbahn um den Mond bringen. Aber er könnte auch
einen längeren Flug damit unternehmen, falls er denn die meiste
Zeit im Überlebenstank zubringen wollte.
    Wie dem auch sei… die Constitution wird in der Lage
sein, überall hinzufliegen, wenn er sie erst einmal entsprechend
ausgerüstet hat. Er fühlt sich wieder wie mit sechzehn, als
er den alten 94er Geo als Rallye-Fahrzeug umgerüstet hatte.
    Das Seltsame bei jedem Auftrag hier oben – und jetzt erst
wird ihm das konservative Vorgehen der Franzosen und Japaner
bewußt – besteht darin, daß nur am Anfang harte
Arbeit zu leisten ist. Die Maschinen verfügen über
künstliche Intelligenz, und während dieses Lernprozesses
optimieren sie sich selbst, so daß sie bei korrekter
Basisprogrammierung bald besser und schneller arbeiten als jeder
Mensch. Bei diesem kleinen Raketenprojekt dauerte es fast einen
ganzen Tag, bis der für den Festbrennstoff optimale
Düsenquerschnitt ermittelt wurde… aber das übrige
Triebwerk wurde dann in nur einer Stunde produziert.
    Weitermachen. Er wendet sich der Konstruktion der Rakete
zu…
    Ihr Design ist jetzt ganz anders. Sie hat keine Ähnlichkeit
mehr mit der Rakete, an der er zuletzt gearbeitet hatte. Dabei
weiß er intuitiv, daß sie eine Weiterentwicklung
darstellt – und dann, bei näherer Betrachtung, begreift er
auch, worin diese Verbesserungen bestehen. Natürlich trägt
diese Düsengeometrie zu einer besseren Wärmeabfuhr bei;
natürlich gewährleisten die massiven Dreiecksflossen eine
höhere Stabilität…
    Er registriert das alles an der Grenze zum Unterbewußtsein.
Jetzt, wo er sich überwiegend im Roboter aufhält, spielt
sich bei ihm ohnehin fast alles an der Grenze zum
Unterbewußtsein ab, als ob das ganze Programm für die
Modernisierung der Mondbasis dort abgespeichert wäre und sein
Bewußtsein sich zur Bewältigung der zusätzlichen
Aufgaben erweitern würde.
    Er verläßt den Roboter nur noch zum Schlafen, und das
kommt in der letzten Zeit nicht mehr sehr oft vor.
    Abnehmendes Schlafbedürfnis indes ist eines der
Phänomene, die er Dr. Wo melden soll. Es widerspricht zwar
seiner Ausbildung und jeglicher Erfahrung, aber Louie ruft den
Neurologen dennoch an; irgendwie hat er bei der ganzen Sache kein
gutes Gefühl.
    Wo ruft schon nach fünf Minuten zurück; offensichtlich
wird Louie gehegt wie ein Goldesel. In einigen kurzen Sätzen
informiert Louie Dr. Wo über alles.
    »Und Sie haben den Vorgang nicht bewußt reflektiert?
Die Roboter haben die Konstruktion der Rakete verbessert, und Sie
haben es auf Anhieb nachvollzogen?«
    »Ja, so kann man es sagen. Und ich schlafe auch kaum noch.
Und seit kurzem fällt mir auf, daß meine Erinnerungen
klarer sind… liegt das vielleicht an den Optimierern?«
    »Daran besteht wohl kein Zweifel.«
    »Was ist also los? Habe ich diese Rakete etwa aus dem
Unterbewußtsein heraus entwickelt und gebaut?«
    Wo nickt. »Gute Frage. Ich glaube, daß Sie es
tatsächlich waren, aber nicht das ›Sie‹, mit dem ich
jetzt spreche. Eine Eigenschaft der Optimierer besteht darin,
daß sie irgendwo einen wertvollen, effektiven Code kopieren und
ihn dann je nach Bedarf zu anderen Orten transportieren. Meine
Vermutung geht nun dahin – und zu ihrer Bestätigung werden
wir einige Testreihen durchführen müssen, was sich aber
schlimmer anhört, als es ist –, daß die Optimierer
Teile Ihres Bewußtseins in Computerprogramme kopieren, darunter
auch in solche, die auf den lunaren Rechnern laufen. Deswegen haben
Sie das Prinzip auch sofort begriffen – Ihre
Bewußtseinssplitter sind nämlich wieder ›nach Hause
gekommen‹. Das ist wirklich sehr interessant… es würde
nämlich bedeuten, daß das Netz, in das Sie integriert
sind, Sie nicht nur optimiert, sondern auch Ihre Identität annimmt.«
    Louie schluckt und stellt nun die Frage, die ihm schon die ganze
Zeit auf der Seele liegt: »Doc, bin ich immer noch
derselbe?«
    Wo setzt sich, wobei die Kamera nachgeführt wird, und kratzt
sich am Kopf. Die Sache könnte erhebliche emotionale
Implikationen zur Folge haben; das Problem besteht nämlich
darin, daß Ärzte, die in militärische
Forschungsprogramme involviert und mit der Untersuchung beauftragt
sind, warum der

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