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Die Mutter aller Stürme

Die Mutter aller Stürme

Titel: Die Mutter aller Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Barnes
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sowieso nie Kinder hatte, kann
ich auch gar nicht mitreden. Ich hatte eine ganz andere Kindheit. Von
Essen und Kleidung abgesehen, haben sich meine Eltern im Grunde nur
dafür interessiert, daß ich zur Schule ging und im
Restaurant meines Vaters in Boise aushalf. Sie haben uns eben auf die
alte Art aufgezogen.«
    Henry Pauliss stellt eine klassische Schleimer-Frage: »Und
wie haben Sie es schließlich geschafft?«
    »Nun, ich habe an der Hochschule für Berufstätige
Jura studiert und dann die Ausbildung meiner Geschwister finanziert.
Mein Bruder hat in Harvard Medizin studiert, die älteste meiner
drei Schwestern in Purdue Maschinenbau. Und die beiden anderen haben
ihre Ausbildung natürlich abgebrochen und sind auf den Strich
gegangen.«
    Pauliss Unterkiefer klappt hinunter. »Sie… äh…
hmm… heißt das…«
    »Natürlich nicht«, sagt Diem, »ich wollte
damit nur sagen, daß die Vernachlässigung der Kinder
sicher nicht der beste Erziehungsstil ist. Manchmal kann man aber
auch mit schlechten Karten noch ein Spiel machen.«
    Di lacht glucksend, und Carla prustet ungehemmt los. Henry
Pauliss’ Teint nimmt nun eine leichte Rotfärbung an; wenn
Harris Diem ihn einer solchen Lächerlichkeit preisgibt, noch
dazu vor seinen Untergebenen, dann ist er schon so gut wie
draußen, und vielleicht bekommt er noch richtig einen drauf.
Jeder im Raum weiß also, daß Diem soeben Pauliss die
Kündigung ausgesprochen hat, und das bewußt in Carlas und
Dis Anwesenheit.
    Carla wünschte sich, sie wäre ein netter Mensch, der
nicht im geringsten nachtragend ist und diesen Vorgang degoutant
findet; aber das ist indessen nicht der Fall. Sie genießt es,
daß dieser Bastard nun geschaßt wird, nur weil er seine
Befehle ausgeführt hat. Das macht das lange Warten auf die
Präsidentin (wobei sie über die Identität der Person,
auf die sie warten, eigentlich im unklaren gehalten werden sollten)
fast lohnenswert.
    Als Hardshaw schließlich erscheint, sind ihre ersten Worte
an Carla gerichtet: »Wie ich höre, sagen Sie das Wetter
immer richtig voraus.«
    Carla schnauft. »Wenn ich das Wetter immer richtig
voraussagen würde, hätte ich mir längst schon bei
Termingeschäften eine goldene Nase verdient. Mag sein, daß
ich ziemlich gut bin. Meine Intuition ist wohl besser als die der
meisten Meteorologen, und ich bin gut in Mathematik, und
außerdem habe ich oft den richtigen Riecher. Aber ich bin nicht
perfekt. Und der eigentliche Grund, weshalb ich in dieser Krise ein
paarmal recht hatte, ist der, daß ich keine Angst um einen
Arbeitsplatz haben muß und meine Meinung daher offen vertreten
kann.«
    Präsidentin Hardshaw grinst sie an – in Carlas Augen das
typische Lächeln, mit dem Politiker sich bei den Wählern
einschmeicheln, aber sie merkt auch, daß es seine Wirkung auf
sie nicht verfehlt. Als die Präsidentin dann wieder das Wort
ergreift, ist Carla noch immer etwas verwirrt. »Nun, ich stelle
Ihnen jetzt eine Frage, und selbst wenn es eine wirklich dumme Frage
sein sollte, darf niemand erfahren, daß ich sie gestellt habe.
Nicht einmal auf einer Party oder um jemandem damit zu imponieren.
Denn gerade jetzt darf die Präsidentin der Vereinigten Staaten
es sich nicht erlauben, wie ein Trottel dazustehen, und leider hat
sie ihre Jugend mit Jura vergeudet, anstatt sich mit Meteorologie zu
befassen.«
    »Verstehe«, sagt Carla. »Ich werde nichts sagen
– ich bin eh nicht sehr gesellig.«
    »Das hat Harris mir schon erzählt. In Ordnung. Besteht
wenigstens theoretisch eine Möglichkeit, diese Katastrophe
abzuwenden? Schließlich ist sie auch von Menschenhand
verursacht worden; können wir also irgend etwas tun, um sie zu
verhindern?«
    Carla holt tief Luft, überlegt, verwirft das erste Konzept
gleich wieder, holt noch tiefer Luft und sagt dann, ohne sich
indessen völlig sicher zu sein: »Es handelt sich um einen
physikalischen Vorgang. Also müßte man ihn im Prinzip auch
beeinflussen können. Aber hier wirken gigantische Kräfte
auf eine riesige Fläche, so daß wir vermutlich nicht in
der Lage sind, auf den Prozeß einzuwirken.«
    »Zunächst die Theorie.«
    »In Ordnung. Wenn es uns gelänge, den Fallstrom nach
Süden umzulenken und dort zu fixieren, könnten wir das
Monster in die Beringstraße hinauf oder nach Sibirien schicken,
was Ihnen lieber wäre, und ihn sich dort in der Kälte wie
einen normalen Wirbelsturm totlaufen lassen. Aber das würde er
wahrscheinlich ohnehin tun.
    Wenn es uns alternativ gelänge, das in

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