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Die Mutter aller Stürme

Die Mutter aller Stürme

Titel: Die Mutter aller Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Barnes
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eintreten werden,
wenn stärkere Stürme direkt landeinwärts ziehen, dann
tut man gut daran, zu bleiben. Natürlich wird man als Toter
nicht mehr viel von seinem Besitz haben – man sollte den
Tatsachen schon ins Auge sehen –, aber die Erben werden es einem
sicher danken.
    Wenn sie dann aus Oaxaca zurückgekehrt sind.
    Escobedo ist ein begnadeter Redner mit Sinn für Humor; das
kommt ihm sehr zustatten, und nach einigen Tagen halten die Leute
seinen Plan nicht mehr für verrückt oder murmeln grimmig
etwas von einer Intrige der Regierung, wonach sie ihr Eigentum
schutzlos zurücklassen sollen, sondern sie bereiten sich auf die
Evakuierung nach Oaxaca vor, »nur für alle Fälle, Sie
wissen schon«, und wenige Tage später packen sie bereits.
Die Dinge geraten in Bewegung.
    Deshalb sind Jesse und Mary Ann auch nicht weiter erstaunt, sich
am Morgen des 21. Juli in der Kolonne wiederzufinden. Sie sind beide
als marschtauglich eingestuft worden – die Alten, Kranken und
Kinder fahren in Bussen, und andere Leute haben Plätze auf den
Lkw ergattert, die per Los vergeben wurden. Die meisten fahren jedoch
mit dem Fahrrad, gehen zu Fuß oder reiten auf einem Maultier.
Insgesamt gibt es an der gesamten Pazifikküste von Chiapas
zwanzig solcher Kolonnen mit jeweils ein paar tausend Menschen.
    Am ersten Tag läßt man es bewußt langsam angehen;
dadurch können Kradfahrer nach Tapachula zurückfahren, wenn
jemandem einfällt, daß er noch etwas vergessen hat, und so
werden die Menschen auch mit der neuen Lage vertraut. Es herrscht
zwar eine drückende Hitze, aber wenigstens ist es nicht allzu
staubig, und die von der Regierung bereitgestellten Tankfahrzeuge
sind auch im Einsatz. Es werden ausreichend Pausen eingelegt, so
daß Jesse bis auf die unvermeidlichen Anstrengungen des
Marsches keinen Grund zur Beschwerde hat. Und die Nachtlager machen
sogar Spaß, vor allem weil Jesse und Mary Ann aufgrund der am
Lagerfeuer vorgenommenen Einteilung und vieler Verhandlungen mit den
Nachbarn ein eigenes, wenn auch kleines Zelt haben – was sich
mit Geld nicht alles erreichen läßt. Angesichts der
Präferenzen, die Jesse entwickelt und falls die Sache mit Mary
Ann zu Ende gehen sollte, ist er sehr motiviert, schleunigst einen
Abschluß als Realisations-Ingenieur zu erwerben. Wenn man erst
einmal weiß, was man mit Geld alles machen kann, ist es schwer,
ohne auszukommen.
    Am Morgen des zweiten Tages, einem Samstag, geraten sie in einen
Wolkenbruch, der die Straße zwar rutschig macht, sie jedoch
nicht abkühlt. Die Leute von der Regierung treiben sie an, und
die Hügel werden immer höher. In dieser Nacht verspürt
Jesse leichte Schmerzen in den Beinen, und Mary Ann muß ein
paar zusätzliche Schmiergelder verteilen, um sich aus dem
Feldlazarett Pflaster für die blasenübersäten
Füße zu beschaffen.
    Die letzten Kilometer müssen bei extremer Hitze und
Luftfeuchtigkeit und in sehr schwierigem Terrain zurückgelegt
werden, und Jesse und Mary Ann freuen sich nicht unbedingt auf den
nächsten Tag. Es ist zu heiß und schwül, um
miteinander zu schlafen oder sich auch nur im Arm zu halten, so
daß sie Hand in Hand im Zelt einschlafen. Die
Morgendämmerung setzt entschieden zu früh ein, und als das
morgendliche Gewitter losbricht, sind alle wieder unterwegs.
     
    Die Ionenraketen, welche die Constitution ins All
befördern, unterscheiden sich von den konventionellen
elektromagnetischen Triebwerken, die bei der Mars-Mission zum Einsatz
gelangten. In diesem Fall wird mit Hilfe der Kraftwerke auf dem Mond
normale Materie in Antimaterie umgewandelt, worauf diese Antimaterie
mit Helium-3-II reagiert, das bis zur Grenze der Supraleitung
abgekühlt wurde – mit dem Effekt, daß die
He-3-Atomkerne annähernd mit Lichtgeschwindigkeit
abgestoßen werden. Der winzige Antimaterie-Puls, der durch das
Zentrum einer tischtennisballgroßen Helium-3-Phase jagt,
erzeugt ein hochaufgeladenes Plasma und ein sehr kurzes Funkecho; die
sich um die Heliumphase windende supraleitende Spule wirkt wie eine
Antenne, die das Funksignal auffängt. Der Strom induziert ein
Magnetfeld, welches das Plasma so stark verdichtet und beschleunigt,
daß die thermonukleare Fusion noch dreißig Meter oberhalb
des Triebwerksaustritts stattfindet.
    An einem klaren Tag könnte man von der Erde aus den etwa
zweihundert Kilometer langen weißglühenden Strahl sehen,
der an der Rückseite der Plattform austritt, an der die Constitution angeflanscht ist; dieser Strahl ist

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