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Die Mutter aller Stürme

Die Mutter aller Stürme

Titel: Die Mutter aller Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Barnes
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pazifikanadischen Provinzen gewesen…
Die Ma, der Ny, die Wa
Der Bic, der Nid, der Pa,
Erst der Az und nun der Ab,
    wie sie immer wieder gerne rezitiert. Sie ist der Ansicht,
daß sie nirgendwo mehr hin kann, weil es keinen Ort gibt, der
sich auf Ab reimt.
    Während das kleine Auto die Serpentinen nach Banff erklimmt,
fegt ein heftiger Schneesturm über die Windschutzscheibe und
verschwindet hinter ihr in der Nacht. Sie schaltet das XV ein, sucht
nach einem wirklich neutralen Reporter und findet keinen; einen
schrecklichen Augenblick lang verweilt sie bei Passionet und
verschmilzt mit Synthi Venture. Sie schmiegt sich in den eisenharten,
schützenden Arm von Quaz, der dieser Tage mit Synthi auf Tour
ist, draußen im heulenden Blizzard von Point Barrow, und sie
schicken sich an, ins Haus zu gehen und vor dem Kamin wundervoll
miteinander zu schlafen, und dann schaltet sie um zu Rock (mit dem
sie eine Dreiecksbeziehung pflegt) und läßt sich von ihm
in die Meteorologie einführen.
    Das Schreckliche ist, denkt sie, als sie zu Extraponet umschaltet, dessen Reporter an einem UN-Inspektionsflug über
dem Arktischen Ozean teilnimmt, und es niemanden mehr kümmert,
daß Synthi das Drehbuch schon vorab gelesen hat; sie wollen wissen, was als nächstes geschieht, sie lieben es,
wenn Synthi Erfahrungen beschreibt, noch bevor sie sie selbst gemacht
hat.
    Das Flugzeug mit dem Extraponet- Reporteran Bord
überfliegt eine Druckzone. Eine riesige Gasflamme lodert
kilometerhoch in den Himmel. Vorsätzlicher Achterbahn-Effekt,
spöttelt Berlina. Sie mußten von der Existenz der
Druckzone gewußt haben und sind im Tiefflug hinein, um die
Leute zu überraschen.
    Das Flugzeug dreht ab, in bedrohlicher Nähe zur Flamme. Der
Reporter in der Bugkanzel befindet sich quasi in einer Blase, ohne
daß der Pilot ihn vorgewarnt hätte. Während sie die
riesige Gaszunge umkreisen, unter ihnen das in hellem Gold, Bernstein
und Gelb schimmernde Polareis, erhält sie die grundlegende
Information, die sie haben wollte – die spektakuläre
Operation dient überhaupt nicht der Lösung des Problems,
und jeder weiß es.
    Dieser XV-Reporter ist anscheinend ein Grüner, wie aus seinen
Überlegungen hervorgeht, und Berlina registriert dankbar die
grundlegenden Fakten – Treibgas, in größeren Mengen,
als man sich je hätte vorstellen können, im Frühling,
zum ungünstigsten Zeitpunkt, die Verlautbarungen aus dem
Weißen Haus und aus New York sind viel zu vage formuliert, also
ist es schlimmer, als sie zugeben…
    XV vermittelt doch ein wenig die Illusion, direkt vor Ort zu sein,
konzediert Berlina, und die Illusion, etwas schlauer zu sein, als man
tatsächlich ist, aber im Grunde bekommt man bei XV den Eindruck,
daß man am Ort des Geschehens mit einer Totalamnesie aufwacht
und ein Gehirnwäsche-Team versucht, einem eine bestimmte
Sichtweise zu oktroyieren.
    Sie schaltet ab und entledigt sich hastig des Haarnetzes, der
Datenhandschuhe und der Cyber-Brille. Der Schnee draußen
glüht nun, was bedeutet, daß die Sonne sich anschickt,
hinter den Rockies hervorzukommen. Es sind noch immer drei Stunden
bis zu ihrer normalen Schlafenszeit, und bis dahin kann sie alles im
Wagen verstauen und unterwegs schlafen, während sie mit
dreihundert Kilometern pro Stunde über den Alaska-Highway rollt,
denn in den kommenden Tagen wird sie keine Gelegenheit zum Schlafen
haben.
    »Keine Bange«, sagt sie. »Wenn ich die Menschen
erst einmal daran erinnere, was wirkliche Nachrichten waren,
wird XV so tot sein wie die Marktschreier oder die
Zeitungen.«
     
    Synthi, du hast mit dem wirklichen Leben nichts mehr zu tun, sagt Mary Ann Waterhouse zu sich selbst. Man hat ihr
schließlich die Genehmigung erteilt, sich für einige
glückliche Stunden aus dem Netz auszuklinken, wobei die
desaktivierte Sonde in ihrem Kopf nicht mehr jede zitternde
emotionale Aufwallung von Synthi registriert, und ihre Kopfschmerzen
können auch mit Aspirin nicht gelindert werden, und am ganzen
Körper hat sie Quetschungen und Schürfwunden, so daß
ihr vor lauter Freude über die zehn Freistunden die Tränen
übers Gesicht laufen.
    Mary Ann versucht sich immerzu daran zu erinnern, daß sie im
Grunde noch immer dasselbe späte Mädchen ist, nur daß
sie sich ein Äußeres zugelegt hat, von dem viele Frauen
träumen (und das gleichermaßen den Vorstellungen vieler
Männer entspricht), und daß sie nun unvorstellbar reich
ist, nachdem diese kleine Persönlichkeitsveränderung
stattgefunden hat, aber

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