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Die Mutter aller Stürme

Die Mutter aller Stürme

Titel: Die Mutter aller Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Barnes
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Platz vor der Moschee fast
schon überquert, als jemand Quaz mit einer Pistole in den Bauch
schießt, einem Einweg-Hyperrasanz-Derringer, der in den Staaten
in jedem Laden für zwanzig Dollar zu erwerben ist. Obwohl das
Projektil winzig klein ist – ein wenig Uran von der
Größe eines Stecknadelkopfes –, hat es die zehnfache
Durchschlagskraft einer alten .357-Magnum-Patrone; außerdem
taumelt das Geschoß nach dem Eindringen in den Körper und
verursacht in Quaz’ Bauchhöhle eine solche Druckwelle,
daß seine Eingeweide an der Wirbelsäule vorbei durch das
Ausschußloch hinausgedrückt werden.
    Während der auf dem Rücken liegende Quaz im Verlauf des
sechsminütigen qualvollen Todeskampfs seine blutenden Eingeweide
auf der schmutzigen Straße zerdrückt, schalten sich
weltweit über sechzig Millionen Teilnehmer in Passionet zu; hunderttausend Kanal-Relais machen das möglich. Durch
den Vorhang aus Schmerzen riechen sie den Rauch, sehen rennende
Füße, hören Schüsse (überwiegend von
Dennis, der den Mob auf Distanz von Quaz zu halten versucht –
Dennis selbst wird von einer Salve aus einer Maschinenpistole
niedergemäht, kurz bevor Quaz stirbt, so daß das letzte,
was die Netz-Teilnehmer aus Oran sehen, Dennis Ysabel-Garcia ist, wie
er über Quaz zusammenbricht).
     
    Bevor Quaz noch tot ist, brechen weltweit in dreißig
weiteren Städten Unruhen aus. Passionet springt zu
Surface O’Malley, sagt ihr, sie hätten eine schlechte
Nachricht für sie und ersuchen sie, ob dieser Kunde blindlings
auf die Straße zu taumeln.
    Daraufhin gibt Surface zu bedenken, sie sei gerade in Bangkok im
Orient-Hotel und die Ausschreitungen würden einen erkennbar
fremdenfeindlichen Charakter annehmen. Das ist indes auch nicht
weiter verwunderlich, denn der thailändische Botschafter hatte
ebenfalls auf der Gehaltsliste der Klieg-Organisation gestanden, und
überdies ist erst in dieser Woche ein großer sibirischer
Spionagering zerschlagen worden. »Ich bin kein Feigling«,
sagt sie, »und ich würde auch gern etwas für meine
Karriere tun, aber ich will verdammt sein, wenn ich auf die
Straße gehe. Ich habe rote Haare, um Himmels willen. Wenn der
Pöbel mich nicht erwischt, die Soldaten schnappen mich mit
Sicherheit.«
    Sie bieten ihr noch viel mehr, aber sie weigert sich dennoch. Die
Intendanten von Passionet hämmern fluchend auf die
Schreibtische und versuchen wutschnaubend herauszufinden, wer ihr
frei gegeben hat, aber sie droht nur damit, sich ganz auszuloggen,
bis sie sich wieder bei ihr melden und ihr mitteilen, daß sie
von einem Staticopter ausgeflogen würde. Im Moment ist es
nämlich so, daß ihre Chefs mehr auf Surface angewiesen
sind als umgekehrt – die Unruhen in Bangkok sind am
publikumswirksamsten, und deshalb brauchen sie Material von ihr,
wobei es allerdings kontraproduktiv wäre, wenn darin
erwähnt würde, daß Passionet ohne Not ihr
Leben aufs Spiel setzt oder Druck auf sie ausübt.
    Das Problem ist, daß, wer immer das auch sagt, als
Schlappschwanz dasteht, der vor der Schlampe klein beigegeben hat,
wenn nächste Woche die Ergebnisse ausgewertet werden und jemand
fragt, weshalb sie nicht auf der Straße war, vor Steinewerfern
geflohen ist und sich durch die Straßen hat jagen lassen. Und
vielleicht hätte ihr Flehen im Angesicht einer
Massenvergewaltigung auch noch ein paar Profite eingefahren.
    Noch schlimmer indessen, daß ihre Leibwächter sie
ebenfalls unterstützen. Ysabel-Garcias Tod muß ihnen ganz
schön zugesetzt haben, obwohl ihnen die mit diesem Job
verbundenen Risiken sicher bekannt sind; deshalb werden sie
schließlich auch so gut bezahlt.
    Während sie sich also streiten, versuchen Surface (deren
richtiger Name Leslie ist) sowie Fred und Saul, die zwei
Leibwächter, mit denen sie sich zwischenzeitlich angefreundet
hat, die Vorgänge aus dem Fenster mitzuverfolgen. Der Agent und
der Redakteur in der Kontrollstation am anderen Ende der Stadt, wo
die Stadtautobahn den Klong San Sab quert, bekommen fast einen
Rappel, und nicht nur, weil sie sich von ihren Leibwächtern mit
›Les‹ anreden läßt; ab und zu schaut sie auch zu
ihnen hinüber, obwohl sie eigentlich gar nicht existieren
dürften. Der Redakteur muß das dann immer durch das
Einspielen von Geräuschen und Flimmern neutralisieren, und
selbst dann weiß er nur zu gut, daß er Fred und Saul
nicht völlig ausblenden kann – sie tauchen nämlich
auch in ihren Gedanken auf, und das läßt sich nur
notdürftig kaschieren.
    Die Redakteure

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