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Die Mutter aller Stürme

Die Mutter aller Stürme

Titel: Die Mutter aller Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Barnes
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verstreuten
uniformierten Leichen oder des brennenden Museums, kann sie nicht
sagen. Sie hat ihn als kultivierten, intelligenten Mann in
Erinnerung, und er hat ihr auch von den menschlichen Robotern in den
Fabriken erzählt; vielleicht weint er wegen der Toten, der
Vernichtung der Kunstgegenstände und der Vorstellung, daß
eine fünftausend Jahre alte Kultur von einem Pöbel
zerstört wird, dem sie eigentlich gehört und der nie die
Gelegenheit hatte, sich mit ihr vertraut zu machen.
    Schwer atmend klopft er an den Panzer; dann spricht er in sein
Funkgerät und erteilt anscheinend einen Befehl. Kurz darauf ist
seine Stimme über die auf jedem Panzer montierten Lautsprecher
zu hören; anscheinend wendet der Major sich direkt an die Menge.
Er wischt sich die Tränen aus dem Gesicht, nimmt Haltung an und
beginnt mit fester Stimme zu sprechen.
    »Können Sie mir eine Übersetzung davon geben?«
fragt sie den Agenten.
    »Wir arbeiten daran – fuck, Leslie, verschwinde von
hier; er erzählt ihnen, sie hätten ihr Erbe vernichtet, das
Museum sei angefüllt mit thailändischem Kulturgut, und
jetzt will er, daß sie…«
    Aber die Drei haben schon gesehen, was los ist, und rennen durch
den Korridor zurück. Die Panzerkanonen richten sich auf das
Orient-Hotel.
    Die Drei haben fast schon den nächsten Flügel erreicht,
als die erste Granate hinter ihnen im Gebäude einschlägt;
sie stürzen zu Boden, und Leslie sagt sich verärgert,
daß ihr das Laufen mit diesen großen Brüsten
verdammt schwer fallen wird. Dieses Gefühl ist so tief und
leidenschaftlich, daß der Redakteur es nicht herausschneidet,
ebensowenig wie die Stellen, an denen der Agent sie
›Leslie‹ nennt.
    »Geil, das ist großes XV, die beste Sendung, die wir je
gemacht haben«, murmelt der Controller.
    »Ja, wir werden die Namen und Rollen später noch
überarbeiten.«
    Im Orient-Hotel kommen Leslie und ihre Leibwächter wieder auf
die Füße und flüchten aus dem brennenden,
einstürzenden Südflügel des Hotels. »Soweit ich
weiß, sind die UN-Truppen nicht mehr weit«, ruft Fred.
»Wir sollten versuchen, auf den Parkplatz zu gelangen,
vielleicht sammeln sie uns dort auf…«
    Erneut brüllen die Panzerkanonen auf, und das Gebäude
erzittert, als die Fassade dieses Flügels zusammenbricht. Sie
fassen sich an den Händen und rennen die Treppe zum Parkplatz
hinunter. Ein thailändischer Hotelangestellter springt mit einer
massiven metallenen Vorhangstange auf sie zu, und Saul schießt
ihn in vollem Lauf nieder, ohne ihn zu fragen, was überhaupt los
sei.
    Als sie sich schließlich an der Tür zum Parkplatz
befinden, hören sie ein himmlisches Geräusch – das
hochfrequente Sirren von Staticoptern sowie den kreischenden
Abschuß und den dumpfen Einschlag von Panzerabwehrraketen.
Später erfährt Leslie dann, daß die Japaner mit der
ihnen eigenen Gründlichkeit alle thailändischen Panzer
vernichtet haben, zuzüglich aller Löschfahrzeuge, die das
Nationalmuseum retten wollten, und die noch stehenden Trakte des
Museums.
    Im Augenblick jedenfalls geraten sie vor Freude schier aus dem
Häuschen, als sie Rock sehen, der sich aus einer Tür des
stromlinienförmigen Staticopters lehnt, und binnen
weniger Sekunden taumeln sie an Bord. Sie sind in Sicherheit. Die
Verbindung zur Redaktion wird für kurze Zeit unterbrochen, bis
die drei wieder zur Besinnung kommen. Rock umarmt Leslie und
küßt die beiden Männer auf die Wange…
»Dachte schon, wir hätten das nette Trio verloren«,
sagt er. »Ihr habt sicher eine gute Show abgezogen,
Leute.«
    Erst in diesem Moment wird Leslie bewußt, gegen wie viele
Klauseln ihres Arbeitsvertrags sie verstoßen hat, aber als sie
sich gerade eine Minute mit dem Gedanken an die Kündigung
befaßt hat, gratuliert man ihr schön zur Kreation eines
völlig neuen Genres – XV live hinter den Kulissen. Die
Einschaltquoten sind ins Astronomische gestiegen, und von nun an soll
sie im Bedarfsfall aus der Surface-Rolle fallen und als Leslie
auftreten.
    Rock hingegen soll auch weiterhin nur als Rock und nicht als David
auftreten – sein Künstlername hat nämlich für zu
viele Leute eine identitätsstiftende Wirkung. Leslie sagt sich,
wobei sie das sorgfältig unter Verschluß hält,
daß sie dabei nur verlieren können.
     
    Ein Problem für Louie besteht darin, daß er trotz des
physikalischen Umfangs seines Auftrags mental überhaupt nicht
ausgelastet ist. Daher steht ihm so viel Zeit zur Verfügung,
sich mit der Mission und den

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