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Die Mutter aller Stürme

Die Mutter aller Stürme

Titel: Die Mutter aller Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Barnes
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Gerüchten weiß niemand, was wirklich
geschehen wird«, sagt Hassan und kratzt sich am rechten
Handgelenk. »Im Ausland werden so viele unserer Leute verhaftet,
und so viele Organisationen werden plötzlich ausgehoben,
daß ich nicht einmal weiß, welche Figuren noch auf dem
Brett sind. Mr. Klieg, mein Freund, ich muß Ihnen sagen,
daß ich beunruhigt bin. Wenn die Dinge plötzlich kippen
sollten, geraten wir vielleicht in eine sehr schlechte
Lage.«
    »Mit diesem Risiko müssen Sie leben«, sagt Klieg
mit fester Stimme, denn ihm hat dieser Spruch noch immer
geholfen.
    Hassan nickt und sagt seufzend: »Ja, ich weiß; Sie
haben recht. Aber trotzdem besteht ein Unterschied. Dort, wo Sie
herkommen, riskieren Sie höchstens den Bankrott. Hier jedoch
sind die Risiken in jeder Hinsicht substantieller.«
    Plötzlich schaudert Klieg; er glaubt zwar nicht, daß
sie es wagen würden, ihn anzurühren, geschweige denn Glinda
oder Derry, aber man weiß ja nie, und Hassan genießt
sicher nicht solche Sicherheiten.
    Die Schlüsselfigur ist Abdulkashim. Der Grund, warum sie sich
überhaupt mit ihm eingelassen haben, besteht darin, daß er
noch die Loyalität der Generalität genießt, und
solange er nicht beschlossen hat, das Allwetter-Raumfahrtzentrum auch
nach einer Rückkehr an die Macht weiterzubauen, stellen sie
einen mächtigen Stolperstein dar.
    Mit Abdulkashims Rückendeckung haben sie unerwartet viel
Hilfe erhalten, aber die Frage ist, wie lange das noch anhält.
Zur Zeit besteht die Regierung aus nationalistischen
Abdulkashim-Gegnern, die einzige Option, welche die UN akzeptiert
hatten. Aber es gibt noch ein halbes Dutzend Fraktionen, die zu
schwach zur Regierungsbildung sind und zu stark, um übergangen
werden zu können. Diese Fraktionen führen
Störmanöver durch.
    Bei Fruchtsaft und Eiswasser geht Hassan ausführlich auf
diese Sachverhalte ein. »Wenn wir schon den Gang in unser
jeweiliges Paradies antreten müssen, dann sollten wir wenigstens
mit sauberen Nieren antreten«, sagt er, als sie wieder eine
Toilettenpause einlegen. Sie gehen einzeln, unter den wachsamen
Blicken von Hassans Leibwächtern. Klieg verdrängt die
Überlegung, ob die Leibwächter ihn eskortieren, weil sie
auf seine Sicherheit bedacht sind oder weil sie verhindern wollen,
daß er irgendwie eine Waffe einschmuggelt. Trifft vielleicht
beides zu.
    Schließlich sind es nur noch sechs Tage, sagt er sich, als
er sich auf der Schüssel niederläßt. Dann wird er den
ersten Probestart vornehmen, und wenn alles funktioniert, wird
niemand es mehr wagen, die Aktivitäten von GateTech zu
behindern, denn sie sind die einzige Möglichkeit,
›Clem‹ den Garaus zu machen.
    Plötzlich hört er draußen ein lautes Krachen und
begreift gerade noch, daß es ein Schuß war, als die
Tür auffliegt. Er reißt die Hose hoch, aber nicht schnell
genug; zwei große Männer schieben die leichte
Toilettentür beiseite und packen ihn an den Ellbogen.
    Das alles geht so schnell, daß er nicht einmal einen Satz
herausbringt, bevor sie ihn hinausschleifen. Sie lassen ihn nicht
einmal die Hose hochziehen und den Gürtel schließen, so
daß die Füße sich auf eine lächerliche Art in
der Hose verfangen.
    Als er durch das Restaurant gezerrt und zur Hintertür
hinausbefördert wird, sieht er zwei von Hassans
Leibwächtern tot in den Korridoren liegen, und bei dem in ein
Tischtuch gewickelten Bündel, das gerade von zwei Kellnern
hinausgetragen wird, kann es sich nur um Hassan selbst handeln.
    Sie scheinen kein Englisch zu sprechen und reagieren auch nicht
auf das, was er auf russisch, jakutisch und burjatisch vorbringt. Er
wird in einen Lieferwagen geworfen und kann sich jetzt wenigstens die
Hose hochziehen, obwohl er sich vor lauter Angst und
Überraschung hineingemacht hat. Aber auf einen ruinierten
Tausend-Dollar-Anzug kommt es in dieser Situation auch nicht mehr
an.
    Erst nach vier Stunden erscheint jemand in seiner Zelle, um sich
mit ihm zu befassen. Während dieser vier Stunden hat er die
Schreie und das Schluchzen eines von den Wachen vergewaltigten
Mädchens gehört. Es war nicht Derry – das Mädchen
hatte auf jakutisch geschrien –, aber Klieg ist sich sicher,
daß man ihm damit zu verstehen geben wollte, es hätte
ebensogut auch Derry sein können.
    Es gibt Augenblicke, in denen man zu jedem Handel bereit ist.
Schließlich wird ihm eröffnet, daß es sich um einen
Coup von Leuten handele, die loyal zu Abdulkashim stehen; dieser
versuche gerade einen Ausbruch aus

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