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Die Mutter aller Stürme

Die Mutter aller Stürme

Titel: Die Mutter aller Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Barnes
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er sich an
seine Passagiere. »Die Fähren haben den Betrieb
eingestellt, und meine Farm liegt hoch in den Bergen. Wenn Sie zu
Hause anrufen möchten, hinten im Bus ist ein Telefon.«
    Drei Stunden später, zu einer Zeit, wo eigentlich die Sonne
untergehen müßte, was aber wegen der dunklen Wolken nicht
zu erkennen ist, stoßen sie auf die an seiner Farm
vorbeifahrende einspurige Makadam-Straße, nachdem sie zuvor ein
halbes Dutzend Felder umgepflügt hatten – allerdings wird
die Fährte des Busses nach dem Durchzug des Wirbelsturms ohnehin
verwischt sein. Zweimal mußten sie Abschnitte mit umgeknickten
Bäumen weiträumig umfahren, was jedesmal eine halbe Stunde
kostete, und einmal mußten sie vor einem Erdrutsch den
Rückzug antreten. Die Passagiere sind übereingekommen, sich
direkt hinter Manuel zu versammeln; das stört ihn nicht, bietet
es ihm doch die Gelegenheit, sich zu profilieren.
    Als in der Nähe ein Blitz einschlägt, nimmt er es
zunächst von der heiteren Seite – »Keine Panik, Leute,
wenn er uns getroffen hätte, hätten wir es nicht einmal
gehört« –, aber dann bleibt der IntelliTracker stehen.
Ein kurzer Blick auf die Instrumente zeigt, daß der
Bordcomputer sich verabschiedet hat; vielleicht sind irgendwo ein
paar Fünf-Pfennig-Teile verschmort. Normalerweise würde er
jetzt einfach einen dieser kleinen Straßenwacht-Roboter mit
einem Ersatzteilsortiment anfordern und spätestens in einer
Stunde wieder mobil sein, aber bei der momentanen Situation
könnten die Ersatzteile sich ebensogut auf dem Mond
befinden.
    Nun, die Lösung liegt auf der Hand, zumal er kaum hierbleiben
kann – es bilden sich bereits Pfützen um die Reifen. Wenn
er hierbliebe, wären binnen einer halben Stunde auch die
übrigen Reifen zerstört, und dann würden sie hier auf
offener Straße festsitzen. Er schaltet auf manuelle Steuerung
um – zu seiner Erleichterung funktioniert sie noch, und er
weiß auch noch damit umzugehen, obwohl er schon seit mindestens
zwanzig Jahren ausschließlich auf Automatik gefahren ist.
    Die nächsten drei Stunden gestalten sich interessanter als
alles, womit er sich seit langem befaßt hat; er fühlt sich
wieder wie damals, als er Schüler seines Vaters war. Der alte
Mann hatte auf einem alten GM-Schulbus Fahren gelernt, der
außer einem Lenkrad, Pedalen für Bremse, Gas und Kupplung
sowie einem Schalthebel keine Bedienungselemente hatte; aber Manuel
glaubt nicht, daß sein alter Herr diese Rutschpartie den Berg
hinunter besser bewältigt hätte als er, wobei der Bus
gelegentlich so beschleunigt, daß sie bei Kurvenfahrten in die
Sitze gedrückt werden. Obwohl er keine Zeit hat, sich
umzudrehen, weiß er, daß seine Passagiere versuchen, ihre
Furcht zu verbergen.
    Aber im Grunde ist gar nichts dabei; in den alten Zeiten war das
Routine. Selbstverständlich stellt Manuel aber sein
überlegenes fahrerisches Können unter Beweis.
    Dennoch war er noch nie so froh wie jetzt, vor seinem Haus
vorzufahren. Und wenn er gewußt hätte, daß wegen
›Clem 114‹ das junge Paar sich gleich auf der anderen Seite
des Hügels niederlassen würde und die chinesischen
Versicherungsvertreter eine ganze Saison als im Grunde unnötige
Hilfskräfte hier verweilen würden, bis ihre Familien die
nicht einmal hundert Kilometer entfernten Flüchtlingslager
verließen – oder daß er nach der Beerdigung von Mama
die dralle Tochter heiraten und in seinem Alter noch einmal eine
Familie gründen würde – nun, er hätte
wahrscheinlich nicht anders gehandelt, außer daß er
vielleicht sein bestes Hemd angezogen und einige Kurven noch etwas
mehr geschnitten hätte. Ein Mann möchte seine Freunde
beeindrucken, und er wird diese Geschichte – mit den sechs
Passagieren als Zeugen – immer wieder erzählen.
     
    Am 28. Juli, acht Tage, nachdem er aus dem Erdorbit zu seiner
Reise aufgebrochen war, beschließt Louie Tynan, in seinem
Körper Urlaub zu machen.
    Er ist schon so weit in die Maschinen integriert, daß sie
auch ohne ihn laufen, zumindest was die Routineaufgaben betrifft. Die
Gesundheitschecks ergeben schon seit einiger Zeit schlechte Werte,
und deshalb hält er es für angezeigt, sich körperlich
zu ertüchtigen und regelmäßig zu schlafen, und vor
allem möchte er die Passage eines Pakets durch den Tunnel mit
bloßem Auge betrachten.
    Zu diesem Zweck hat er die Beobachtungskuppel aufgesucht. Er hat
sich sorgfältig angeschnallt, denn es werden
Beschleunigungsspitzen von fast vier Gravos auftreten. Ebenso,

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