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Die Mutter aller Stürme

Die Mutter aller Stürme

Titel: Die Mutter aller Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Barnes
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nicht«, dementiert er, »ich hatte
nur befürchtet… nun, mich von dir verabschieden zu
müssen. Selbst wenn ich das irgendwann einmal tun muß,
jetzt bin ich noch nicht dazu bereit.«
    »Ich auch nicht. Außerdem hast du einen guten Grund, in
meiner Nähe zu bleiben; dann kannst du dich nämlich viel
leichter verabreden.«
    »Wie?« Er schaut sie an und sieht diesen verschmitzten
Gesichtsausdruck; sie versucht ein Lächeln zu unterdrücken.
»Gut, wie meinst du das?«
    »Mal ernsthaft, Jesse, hast du denn schon einmal daran
gedacht, daß bald Millionen Frauen auf der ganzen Welt wissen
werden, wie es ist, mit dir zu schlafen? Das wird sicher nicht zu
deinem Schaden sein.«
    Jesse ist so verdutzt, daß es ihm die Sprache
verschlägt; er drückt sie nur an sich und küßt
sie lange, wobei er sie die ganze Zeit streichelt. Es wäre
schließlich möglich, daß dies vorerst die letzte
Intimität ist.
     
    Louies Dienstplan sieht nun drei Stunden Gymnastik und Schlaf vor,
damit er sich an den langen Aufenthalt im All gewöhnt. Er freut
sich indes weniger darauf als auf einen Zahnarzttermin.
    Allein schon deswegen, weil er Muskelkater hat und bisher nur von
Mahler – Das Lied von der Erde – stimuliert worden
ist, der aus den Lautsprechern drang. Er ist frustriert, weil er nach
der Vervollständigung der Prozessoren Gefallen an Mahler
gefunden hatte und ihn jetzt nicht in vollem Umfang genießen
kann – der Frequenzgang seiner Ohren ist der digitalen
Übertragung eben unterlegen. Außerdem verfügt er
nicht über die Gehirnkapazität, gleichzeitig auch
sämtliche Kritiken und Vergleiche mit anderen Werken
aufzurufen… aus seiner Perspektive nimmt sich das so aus, die
Musik in einem schlechten Autoradio über einen schwachen
Mittelwelle-Sender zu empfangen.
    Zudem gestaltet sich nicht einmal die Körperertüchtigung
so qualvoll, wie sie eigentlich sein müßte; sicher, es ist
lästig und unerquicklich, aber die Intensität des
Gefühls wird von der Anzahl der Neuronen bestimmt, und dieses
Gefühl muß man noch in Relation zur relativ geringen
Gedächtniskapazität setzen…
    Er bricht in Gelächter über sich selbst aus, wobei er
Mahler für einen Augenblick ausblendet (Noch etwas, das er nicht
simultan tun kann!) und atmet erst einmal tief durch, nachdem er auf
der Streckbank gelegen hat. In Ordnung, er wird wieder in sein
elektronisches Ich transferieren. Er wünschte sich, er
hätte es nie verlassen müssen. Wenn es nach ihm ginge, dann
würde er nur gelegentlich in seinen Körper schlüpfen
und auch nur, um mit Carla zu schlafen…
    Teufel, das wäre vielleicht noch besser. Sie sollten eine
drahtlose Verbindung herstellen und könnten so zusätzlich
zu den eigenen Erfahrungen und Erinnerungen noch an denen des
Partners teilhaben, und zwar in Echtzeit anstatt imaginär oder
virtuell.
    Er schüttelt lachend den Kopf; nein, er mag seinen
Körper einfach nicht mehr. Außerdem bekommt er vor lauter
Kopfschütteln noch eine Genickstarre, und jetzt merkt er zum
erstenmal, daß einem vom Lachen etwas schwindlig wird, weil man
nicht mehr richtig atmet. Lustig… nach einem Monat
außerhalb des Körpers hat man plötzlich alles
mögliche daran zu beanstanden.
    Apropos – er begibt sich zum Kopf. Er hat wohl schon seit
einer Woche nicht mehr abgeladen.
    Noch eine Erfahrung, die er fast vergessen hat, wobei diese aber
auch durch noch so viele Sensoren und Prozessoren nicht verstärkt werden kann.
    Nach einer weiteren Stunde hat er schließlich wieder das
bevorzugte Arrangement getroffen. Mittlerweile schmerzt sein
Körper wegen der ungewohnten Streck- und Bewegungsübungen,
und als er den Stecker durch das Haarnetz schiebt, sagt er sich,
daß es mit der Zeit wahrscheinlich nur noch schlimmer
wird…
    Etwas ist anders.
    Sofort nach dem Transfer in seine elektronische Daseinsform hat er
das seltsame Gefühl, daß etwas in ihm ist. Einen Moment
später erkennt er, daß er selbst es ist; binnen weniger
Mikrosekunden hat er sich reintegriert, die Erfahrung, seinem Ich zu
begegnen, mit der Erfahrung abgeglichen, die Carla vor einem Monat
gehabt hatte, festgestellt, daß sein System durch diesen
Vorgang erheblich komplexer geworden ist und befunden, daß er
davon profitiert. Er macht sich eine Notiz und ändert die
Programmierung der die Asteroiden anfliegenden
›Schlaumeier‹; die von den Asteroiden abgeschickten Pakete
werden eine Kopie jedes ›Schlaumeiers‹ mitbringen, damit
sie sich in Louie reintegrieren.
    Als das

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