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Die Mutter aller Stürme

Die Mutter aller Stürme

Titel: Die Mutter aller Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Barnes
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Verlegenheit. Ich
werde mir jetzt den Bauch vollschlagen und mich vollaufen lassen,
bevor das nächste Paket eintrifft – von Dr. Esauns alten
Privatbeständen ist ungefähr noch ein Fünftel
vorhanden – und dann zum oberen Korridor hinaufsteigen. Alles,
was dort oben ungesichert herumliegt, wird hinabgeschleudert, muy
pronto. Unten gibt es ein schönes massives Stahlschott, und
obwohl ich es nicht so präzise berechnen kann wie du,
dürfte ich bei einer Beschleunigungszunahme von neunzig Prozent
statt zwanzig Prozent mit über dreihundert Kilometern pro Stunde
mit dem Kopf dagegenknallen. Ich werde den Schmerz kaum
spüren.«
    »Bei der viel größeren geistigen Kapazität
wird gar kein Schmerz auftreten. Außerdem mußt du wissen,
daß die Erinnerung an Schmerzen überhaupt nicht relevant
ist; selbst die schrecklichsten Erinnerungen können einem nichts
anhaben.«
    Er tritt stärker in die Pedale und sagt: »Diese
Behandlung des Körpers ist nur fair. Ich meine, er hat mir so
lange gedient, und jetzt bin ich das Schiff und der Komplex auf dem
Mond… nun, ich bin einfach der Ansicht, daß ein Teil von
ihm berechtigt ist, bei vollem Bewußtsein abzutreten.«
    »Aber du willst dich selbst unter Drogen
setzen…«
    »Vielleicht nur bei halbem Bewußtsein. Wenn ich
schon nicht will, daß du den Schmerz fühlst, kannst
du dir sicher vorstellen, wie ich mich fühle.«
    Die mechanische Stimme, die Louies eigener Stimme so ähnlich
ist, daß er nicht fähig ist, sie auseinanderzuhalten,
lacht. »Ein kleines Problem gibt es doch. Du hast beschlossen,
für die Menschheit zu sterben. Das würde ich gern in meinen
Speichern haben. Könntest du vielleicht noch einmal das Haarnetz
überziehen und den Stecker in die Kopfbuchse stecken, bis ich
die neuen Erinnerungen kopiert habe? Laß die Brille und die
Handschuhe weg, wenn du mir nicht traust – so kannst du dich
notfalls nur auf deine Sinneswahrnehmungen konzentrieren und bist
dann noch in der Lage, das Haarnetz abzustreifen.«
    Gegen dieses Anliegen ist nichts einzuwenden; nach weiterer
Überlegung gesteht Louie sich ein, daß mit der
Entscheidung, sich zum Wohle der Mission zu opfern, tatsächlich
eine Veränderung mit ihm vorgegangen ist. »Gut«, sagt
er, wobei er sich sofort blöd vorkommt, denn Louie-das-Schiff
hat die Zustimmung wahrscheinlich schon an seiner Bewegung oder sonst
einem Indiz erkannt, das Louie-der-Körper nicht registriert
hat.
    Als er zum Haarnetz greift, stellt er belustigt fest, daß er
sich wirklich wie ›Louie daselbst‹ fühlt, obwohl er um
die überlegene Kapazität und den Erfahrungsreichtum von
Louie-das-Schiff weiß. Er fragt sich, ob das nun die
Emotionalität von Louie-dem-Schiff, Louie-auf-dem-Mond oder die
der ›Schlaumeier‹ ist… oder haben sie das Gefühl,
daß er die realere Entität ist? Er wird sich danach
erkundigen, wenn er sich wieder im Virtuell-Modus befindet…
    Er zieht sich das Haarnetz über den Kopf, wobei seine
Mikrofasern unter das Haar gleiten, um engen Kontakt zur Haut
herzustellen; Induktoren richten sich so aus, daß ihre
Millionen Impulse in allen Regionen des Gehirns immer die richtigen
Axone finden, in denen dann die virtuellen Signale erzeugt werden.
Dann steckt Louie den Stecker in die Kopfbuchse, so daß die
Maschine Zugriff auf seine Gedanken und Erinnerungen hat.
    Die Augenlider klappen so heftig herunter, daß eine Woge des
Schmerzes durch die Wangenmuskulatur zuckt.
    Er spürt eine intensive Bewegung, einen Vorgang in den
Muskeln, den er nicht völlig identifiziert; und dann schwingen
die Hände nach oben und schlagen so fest auf die Ohren,
daß die Trommelfelle platzen.
    Die Schmerzen und der Schock sind unerträglich, und er
konzentriert sich auf den Schmerz, um sich an etwas zu klammern, das
nicht aus der Maschine kommt, damit er den Willen und die Motorik
aufbringt, sich das Haarnetz vom Kopf zu reißen…
    Abrupt verschwindet der Schmerz, als ob ein Schalter betätigt
worden wäre. Die Arme hangen schlaff hinunter. Er spürt,
wie seine Erinnerungen durch die Buchse entschwinden, und er
verflucht Louie-das-Schiff, wütend über den Verrat,
wütend, weil er auf jeden Fall sterben wird (denn er glaubt
nicht, daß Louie Milliarden Menschen sterben lassen wird, nur
um diesen einen alten Kadaver zu retten), aber jetzt ist er auch noch
seiner Würde beraubt und für unfähig erklärt
worden, seine Sache gut zu machen…
    Er schreit vor lauter Frustration, was dadurch unterstützt
wird, daß er den Hals

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