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Die Mutter aller Stürme

Die Mutter aller Stürme

Titel: Die Mutter aller Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Barnes
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wieder spürt, aber bevor er die Arme
unter Kontrolle hat, blockiert die Luftröhre. Das Blut rauscht
durch die Venen, er versucht Puls und Herzschlag zu regulieren,
um…
    Das Herz setzt aus. Die Halsschlagader wird eingeschnürt.
    Musik ertönt, und er bewegt sich durch einen langen, dunklen
Tunnel, wobei er fast lachen muß, weil alles so abläuft,
wie man es ihm beschrieben hat, und sicher werden seine Eltern, an
die er in den letzten zehn Jahren keine fünfmal gedacht hat, ihn
dort erwarten, und…
    Er wacht auf. Er ist in der Maschine; Louie-der-Körper und
Louie-das-Schiff sind eins, und sofort begreift er, daß
Louie-das-Schiff die Notwendigkeit wohl erkannt hatte, aber nichts
von sich verlieren wollte; er wägt das Für und Wider der
Entscheidung ab, Punkt für Punkt, akzeptiert sich so, wie er ist
und beendet diesen schizoiden Zustand; mit der Ausnahme indes,
daß er beim Blick durch die Kamera seinen toten Körper auf
dem Deck liegen sieht. Die robotische Müllabfuhr kommt und
bringt ihn hinunter ins Kühlfach. Dies vermittelt ihm erneut ein
Gefühl der Spaltung, wobei ein Teil von ihm sich erinnert, in
diesem Körper gestorben zu sein, und der andere, ihn
getötet zu haben.
    Noch merkwürdiger ist jedoch die Erkenntnis, daß, bevor
er wieder mit dem Bewußtsein des Schiffs verschmolz – als
er zum ›realen‹ Louie Tynan wurde –, als er vom Licht
weggezerrt wurde und von Mom und Dad (Dad wollte gerade etwas sagen
und lächelte dabei, wie er es zu Lebzeiten nur selten getan
hatte)…
    … vor dem Tod des Körpers eine winzige Zeitspanne
verstrichen ist und daß sich noch ein Louie in diesem
Körper befand. Also hat er sich selbst getötet… und
wenn er jemals eine Seele hatte, dann ist sie jetzt entweder im
Himmel oder in der Hölle. Hat er nach seinem Überleben eine
neue bekommen? Oder ist er jetzt absolut seelenlos?
    Mit dieser Frage kann er sich nun für immer befassen.
    Er wähnt sich an einem Strand im warmen Südpazifik, vor
dem Sturm, und liest erneut Carlas letzte Meldung durch. Einen Monat
segeln sie gemeinsam an den Salomonen entlang; sie lachen und
unterhalten sich ausführlich, und sie verstehen sich besser als
je zuvor.
    Er weiß nicht, ob er noch eine Seele hat, aber er weiß
mit Bestimmtheit, daß er noch Liebe empfindet – und das
ist mehr, als man von einem Pragmatiker erwarten kann. Vier Minuten
– etwas über zweiundzwanzig Gehirnjahre – nach dem Tod
seines Körpers hat er seinen inneren Frieden gefunden.
     
    John Klieg ist guter Dinge; wie sonst sollte er sich auch
fühlen, wenn die vier Gruppen auf der Welt, die er als seine
Todfeinde betrachtet, sich gerade auf Kollisionskurs befinden. Er
glaubt zwar nicht, daß sein Gespräch mit Berlina
abgehört wurde, aber falls doch, wäre es auch nicht
schlimm. Das Wichtigste ist, den Ausbruchsversuch von Abdulkashim zu
vereiteln und die Verschwörer wissen zu lassen, daß ihr
Plan mißlungen ist; wenn seine Quellen ihm in den nächsten
Tagen keine Planänderung melden, hat er noch ein paar Tricks auf
Lager, sie darauf zu stoßen.
    Wenn es im Moment einen Wermutstropfen gibt, dann die Nachrichten,
die auf seinen hundert Bildschirmen erscheinen. Er versucht, alle
Beiträge mitzuverfolgen, nur um zu sehen, was für ein
Gefühl das ist. Derry sitzt still neben ihm auf der Couch und
malt Pferde – das einzige, was für diese düstere,
schmutzige Grenzfeste spricht, sind die vielfältigen
Möglichkeiten für ein pferdebegeistertes Kind. Glinda macht
ein Nickerchen; aus verständlichen Gründen hat sie sich
diese Woche nicht besonders gut gefühlt. Marktwirtschaftlicher
Wettbewerb ist eine Sache, Mord und Staatsstreich eine andere. Klieg
wundert sich, wie leicht er die Sache weggesteckt hat.
    Nach wie vor ist er über die Situation in den Staaten nur
unzureichend informiert; er möchte sich täglich in den
Hintern treten, weil er es versäumt hat, vor seiner Abreise
einen Informanten zu bestellen; aber schließlich war es das
erste Mal, daß er sich in ein globales Krisengebiet gewagt
hat.
    Mit Interesse verfolgt Klieg auf den Monitoren, wie
›Clems‹ Ableger Europa verwüsten. Die Amerikaner
werden kaum noch über Europa informiert, zum Teil wegen der
Flüchtlings-Lobby – zwei Millionen Afropäer,
zuzüglich einer Million Flüchtlinge aus verschiedenen
europäischen Ländern laufen Sturm, wenn wohlwollend oder
auch nur neutral aus Europa berichtet wird. Und in den letzten
zwölf Jahren haben sich auch viele Amerikaner diese

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