Die Mutter aller Stürme

damit nicht abfinden. Er läßt
die Gedanken schweifen.
    Was bedeutet ein Reich, Alexander, die Eroberung? Eine sehr
schwache Metapher für seine Errungenschaften. GateTech ist anders. Kalter Realismus hat ihn zur Gründung der Firma
bewogen, die Erkenntnis, daß er eine neue Verdienstquelle
erschlossen hat und daß das erste große Unternehmen in
diesem Bereich das Geschäftsfeld auch dominieren würde,
wenn er es nur richtig anstellte.
    Gut, ziehe Bilanz, Klieg, zurück zum Thema, befiehlt
er sich selbst. Im Grunde operiert GateTech auf vier Ebenen.
Zum einen untersucht das Unternehmen die Geschäftstätigkeit
anderer Unternehmungen. Zum zweiten betreibt es Forschung und
Entwicklung auf diesen Feldern und sichert sich so schnell wie
möglich entsprechende Patente. Zum dritten erhebt GateTech für die dort entwickelten Technologien Lizenzgebühren
von anderen Unternehmen.
    Und zum vierten betreibt das Unternehmen in Washington, Tokio,
Brüssel, Moskau und bei den UN Lobbyarbeit, um sich eine legale
Basis für seine Aktivitäten zu schaffen.
    Er hatte es einmal dem Kind eines entfernten Verwandten
erklärt: wenn er zur Zeit von James Watt gelebt hätte, dann
würde er sich nicht die Dampfmaschine, sondern den Kessel und
den Kolben patentiert haben lassen; wenn er ein Zeitgenosse von
Edison gewesen wäre, hätte er sich den Wolfram-Draht und
die Glasbirne patentieren lassen; wenn er am Anfang des
Computerzeitalters gelebt hätte, dann würde er versucht
haben, ein Patent auf die Tastatur zu erhalten. Und das
größte Geheimnis…
    Aha. Das ist also die Parallele zu den Reichen und Alexander und all dem. Ich erkenne, daß GateTech nie etwas produziert oder
eine Dienstleistung erbracht hat; das ist das Geheimnis unseres
Erfolges. Wir fahren ihnen in die Parade und lassen sie dafür
zahlen, daß wir ihnen den Weg wieder freigeben, das ist alles.
Wir arbeiten wie die antiken Reiche, die den Regionen freie Hand
ließen, solange sie nur ihre Steuern zahlten. Wie Alexander der
Große oder Cäsar lassen wir jeden das tun, was er auch
zuvor schon getan hat, was er auch ohne uns tun würde, und wir
machen dabei unseren Schnitt.
    Aber heutzutage ist die Verteidigung in vielen Fällen
besser geworden. Gerade erst letzte Woche ist MitsDoug uns bei der
Patentierung des neuen Vario-Kunststoffes zuvorgekommen, und jetzt
können sie ihr verdammtes formvariables Flugzeug bauen, ohne mir
einen Pfennig dafür zu zahlen. Wieviele Milliarden mir dadurch
wohl entgangen sind?
    Mach dich nicht verrückt, und vergeude keine Zeit damit,
gleichzuziehen.
    Mach weiter.
    Das war der Schlüssel. Er hatte zwar viel durch den Blitz verloren, aber während andere Gesellschaften Prozesse gegen
die Banken anstrengten, um ihre Guthaben zu retten, befaßte GateTech sich lediglich mit allen für die
Wiederherstellung von Daten relevanten Technologien. Er gewann
weitaus mehr, als er verloren hatte.
    Er verlor viel, als die Parti Euro Uno an die Macht gelangte und
überseeische Guthaben ›europäisierte‹, aber er
glich diesen Verlust durch die Einstellung jedes vertriebenen
hochqualifizierten Afropäers bei weitem wieder aus.
    In zwanzig Jahren haben ihm ein bißchen Industriespionage
und ein wenig Denkvermögen ein Gespür dafür
vermittelt, das jeweils gewünschte Patent ein halbes oder ganzes
Jahr vorher zu erwerben, gerade rechtzeitig, daß GateTech seine Lizenzgebühren erheben kann.
    Er kann kaum ein Lachen unterdrücken bei dem Gedanken an die
mentalen Anstrengungen. Hätte er nicht einfach einen Blick auf
den aktuellen Geschäftsplan werfen und sagen können,
daß der Zeitrahmen verschoben werden mußte?
    Quatsch. Dafür hat er schließlich seine Leute.
»Glinda«, sagt er dann. Er atmet zweimal tief durch und
langsam wieder aus… sie kommt gleich… jetzt.
    Eine Tür gleitet auf, und Glinda Gray tritt ein. Nicht
daß sie die ganze Zeit draußen auf die Stimme ihres Herrn
gewartet hätte – dafür würde er niemanden
bezahlen – oder eine wichtige Sache wegen seines Durchrufs
unterbrochen. Sie ist einer von siebzehn Vizepräsidenten ohne
Portfolio, und Glinda war die Beste von all jenen, denen er noch
keinen bestimmten Aufgabenbereich zugewiesen hatte. Aber wenn er die
perfekte Besetzung für diesen Job suchte, dann war es Glinda.
Aus zwei Gründen: zum einen ist sie eine perfektionistische
Skeptikerin. Ihre Berichte enthalten immer alles, was
schiefgehen könnte.
    Zum anderen belästigt sie ihn nie mit vielen Fragen, wenn er
ihr einen neuen