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Die Mutter aller Stürme

Die Mutter aller Stürme

Titel: Die Mutter aller Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Barnes
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rot,
als sie fauchend in die Atmosphäre eintauchten, die Explosionen,
welche das Eis erzittern ließen und illuminierten, und
später dann das Lodern des Methans, das vom Eis reflektiert
wurde. Noch immer stehen ein paar Flammensäulen in der
Eislandschaft, aber jetzt ist Tag in diesem Sektor, und daher ist der
Vorgang nicht mehr so beeindruckend.
    Louie stellt sich die Frage nach dem Hauptgrund, warum er diesen
Job überhaupt noch macht, und gelangt zu der Antwort, daß
er – vielleicht der einzige Grund – in seinem Sinn für
Humor besteht. Als er im Jahre 2009 dem Astronauten-Korps beitrat,
zählte es über zweitausend Leute; drei Jahre später,
als das Korps die offizielle Bezeichnung United States Space Force erhielt und zudem noch Marine- und Luftwaffen-Einheiten
integriert wurden, umfaßte es viertausendfünfhundert
Männer und Frauen, die sich für Weltraummissionen
qualifiziert hatten, und zirka sechstausend Amerikaner hatten bereits
Weltraumflüge unternommen. An Bord der ersten UN-Mars-Expedition
befanden sich zwei USSF-Offiziere, und wenn die Expeditionen Nr. 2
bis Nr. 9 jemals stattgefunden hätten, dann hätte ein
rundes Dutzend Amerikaner den Fuß auf den Mars gesetzt.
    Doch nach der ersten Landung wiederholte sich das, was sich schon
nach den Mondlandungen ereignet hatte: die meisten Nationen,
insbesondere die USA, zogen sich aus der Raumfahrt zurück. Heute
gibt es noch fünfundvierzig aktive Astronauten, und wo sich vor
fünfzehn Jahren ständig vierzig oder fünfzig oder noch
mehr Menschen im Weltall aufgehalten hatten, gibt es jetzt nur noch
Louie: Aufgrund der Teilnahme an der Mars-Mission verfügt er
über beträchtlichen Einfluß, denn sonst hätten
sie ihn nicht hier oben in der Raumstation Constitution verbleiben lassen, der letzten aktiven von fünf bemannten
amerikanischen Raumstationen.
    Er lehnt sich zurück und wirft wieder einen Blick auf die
Erde. Wenn man den Mond mitzählt, hat er drei Welten aus dem
nahen Orbit gesehen, und insgesamt gibt es nur fünfzehn
Menschen, die das von sich sagen können.
    Ich glaube, wenn man es nicht mit eigenen Augen gesehen hat,
wenn man es nur von Bildern kennt, und wenn man nicht genau hinsieht
oder sich nicht darauf konzentriert, dann muß es nach einer
gewissen Zeit langweilig werden. Die Forschungen werden
natürlich fortgesetzt… die Orbits vom Merkur bis zum Saturn
werden kontinuierlich von Robot-Stationen umkreist, und eine ist
unterwegs zum Uranus, und es gibt automatische Bodenstationen auf
allen Jupitermonden sowie eine Drohne, welche die Atmosphäre des
Titan durchkreuzt. Man kann sogar von ihren Kameras aufgenommenes
Bildmaterial erwerben, so daß man im Wohnzimmer die Flanken von
Mons Olympus erklimmen oder Jupiter im Tiefflug umrunden kann.
    Nur die wenigsten Leute sind imstande zu erklären, weshalb
das nicht dasselbe ist.
    Die Sonne geht gerade über dem westlichen Pazifik auf, was
bedeutet, daß Carla wahrscheinlich einen halben Kilometer unter
der Oberfläche des von der Sonne erhellten Abschnittes des
Ozeans steht; wenn sie schlafen oder sich auf ein akademisches
Projekt konzentrieren will, taucht sie normalerweise mit MyBoat ab und überläßt dem Autopiloten die
Steuerung.
    Vielleicht rufe ich sie mal wieder an… nein, doch keine so
gute Idee, er hat zuletzt angerufen, und sie ist jetzt an der Reihe,
und wahrscheinlich wird sie sich in ein paar Tagen ohnehin
melden.
    Grinsend schluckt er einen weiteren Happen. Was er mit Carla
treibt, gleicht einem komplizierten Tanz, bei dem im Grunde nur
gewährleistet werden soll, daß sie sich auf keiner
dauerhaften Basis mehr begegnen. Man betrachte die beiden nur einmal,
wie sie in ihren Stahlkokons ein Eremitendasein führen… es
wäre wahrscheinlich einfacher, zwei Adler zur Paarung
zusammenzubringen.
    Also wird das Raumfahrtprogramm weiterhin automatisiert, der
einzige Mensch, den er mag, lebt auch als Einsiedler in einer
Blechdose, und er fängt sich mit der Nahrung so viel Strahlung
ein, daß sie ihn nach der Landung vermutlich nicht so schnell
wieder aufsteigen lassen und ihm prophylaktisch eine antikarzinogene
Medikation verabreichen. Er ist wirklich der letzte seiner Art, und
der unter ihm rotierende alte Planet ist mit ungefähr
siebeneinhalb Milliarden Menschen bevölkert, die ihn nicht
verstehen. Letzte Woche gab er auf dem Tanz-Kanal ein Interview
– er hat noch immer die XV-Sonde vom Mars –, und als er das
Programm dann empfing, hatten sie seine Erfahrungen bis

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