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Die Mutter aller Stürme

Die Mutter aller Stürme

Titel: Die Mutter aller Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Barnes
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Auftrag erteilt.
    Während sie vor ihm steht, beschreibt er sie in Gedanken wie
ein TV-Reporter es tun würde, wenn ihr Haus von einem Hurrikan
zerstört worden, wenn sie einem Mord zum Opfer gefallen
wäre oder einen Bestseller geschrieben hätte: eine
›gutaussehende, blonde alleinerziehende Mutter‹. Ihre Haut
weist schon Altersflecken und Falten auf, und er vermutet, daß
sie nur mit Injektionen verhindert, daß die goldene Farbe ihres
Haares von Silber verdrängt wird. Sie hat Ringe um die Augen,
und aus ihrer Körperhaltung schließt er, daß die in
pinkfarbenen Pumps steckenden Füße heute morgen schon
schmerzen.
    Sie hat ihr letztes großes Projekt vor drei Wochen beendet
und wirkt immer etwas angespannt, wenn sie ihm ein neues vorschlagen
will, denn obwohl John Klieg sich nie im Leben von ihr trennen
würde, kann er sie nie davon überzeugen.
    »Nehmen Sie Platz«, sagt er, »ich bin noch
beschäftigt. Ich habe ein neues Top-Prioritäten-Projekt
für Sie, und Sie sollen wissen, daß ich Sie, falls Sie
ohnehin nicht schon an der Spitze stünden, die Treppe nach oben
hätte fallen lassen, um Ihnen diesen Auftrag zu
erteilen.«
    Sie nickt und nimmt Platz. »Band mitlaufen lassen?«
    »Ja.«
    »Systeme bitte mit Überrangstatus aufnehmen«, sagt
sie mit fester Stimme, und eine mechanische Stimme erwidert:
»Aufnahme läuft.«
    Klieg lächelt sie an und versucht, soviel menschliche
Wärme wie möglich auszustrahlen. »Ich habe das
Gefühl, daß wir unsere Strategie noch verbessern
müssen, und vor allem bekommen wir zu wenige Patente mit
Sperrwirkung für viele Technologien in die Hand, sondern nur
kleine Patente, die das Schlüsselprojekt bloß eines
einzigen Unternehmens blockieren.«
    »Vor vierzehn Jahren«, erinnert sie ihn, »haben Sie
selbst die Strategie entwickelt, immer nur ein spezifisches Projekt
zu blockieren; Sie haben damals gesagt, ein großes Patent
hätte zu viel Publizität und wäre vielleicht noch gar
nicht angemeldet, wenn die entsprechende Technologie serienreif
ist.«
    Er nickt; er bezweifelt zwar, daß sie während der
ganzen Zeit auch nur zehnmal an diese Prämisse gedacht hat, aber
er weiß auch, daß sie ihm eine akkurate Rekonstruktion
der ganzen diesbezüglichen Diskussion liefern sowie den Grund
für diese Entscheidung nennen könnte, selbst wenn der
Vorgang bereits vierzehn Jahre zurücklag.
    »Betrachten Sie es als Paradigmenwechsel«, meint er.
»Das Unternehmen ist seither expandiert, und wir sind heute in
Prozesse involviert, bei denen es um größere Summen geht,
und zudem hat die Rechtsprechung sich auch zu unseren Gunsten
entwickelt. Die Frage ist nur, sollen wir diesen Paradigmenwechsel
überhaupt vollziehen? Meine innere Stimme sagt zwar
›Ja‹, aber Sie sollen es trotzdem für mich
verifizieren.«
    Er lehnt sich zurück und läßt den Blick über
die Bildschirme schweifen; das ist etwas, wofür sie wirklich gut sind, sie halten seinen Verstand auf Trab. »Verifikation
anhand von drei Fällen. Nummer eins, das kontinuierlich
verbesserte Produkt – prüfen Sie, ob wir die ganze
aufblühende COP-Industrie bei den Eiern packen können.
Nummer zwei, die aktuellen Studien bezüglich einer Preissenkung
bei Antimaterie-Antrieben, um auf den Märkten der Dritten Welt
wettbewerbsfähig zu werden. Und Nummer drei… hmmm…
äh… Hätten Sie eine Idee?«
    Auch jetzt enttäuscht Glinda ihn nicht.
    »Haben Sie die Morgennachrichten gesehen?« fragt sie.
»Ich könnte mir einen perfekten Testmarkt vorstellen, ein
Bedürfnis, das zwar noch nicht geweckt ist, aber sicherlich
aufkommen wird.«
    Er beugt sich nach vorn. »Und?«
    »Haben Sie schon von der Methanemission im Nördlichen
Hang gehört?«
    Er schüttelt den Kopf und stellt fest, daß ihr Gesicht
wieder Farbe bekommt und die Müdigkeit von ihr abfällt. Die
kommenden Monate wird Glinda nun in Hochform sein. Streiflichtartig
fragt er sich, warum das so wichtig ist, dann befindet er von neuem,
daß sie unersetzlich ist und lauscht ihren
Ausführungen.
     
    Ich weiß nicht, wann der Weltraum mich zu langweilen
begann, sinniert Louie Tynan. Er sitzt in der Ausguckblase –
an der Schleuse hängt eine Information der OSHA, wonach die
Strahlendosis hier höher ist, als ihm zuträglich wäre,
und im Unterbewußtsein verschafft ihm das noch einen Lustgewinn
–, labt sich an Zwiebelbrot mit Leberhack und beobachtet die
sich unter ihm drehende Erde. Gestern hatte er wirklich eine
großartige Aussicht – die UNSOO-Schiffe glühten

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