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Die Mutter aller Stürme

Die Mutter aller Stürme

Titel: Die Mutter aller Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Barnes
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ihr Mentor, ohne sich jemals mit
Louie-dem-Schiff abgestimmt zu haben. Er ist nicht beleidigt; im
Gegenteil, das Wiedersehen ist wunderbar, und jeder hat Spaß
daran, jedermanns Gedächtnis zu testen; es ist eine tolle Party,
die fast vierundzwanzig Stunden dauert und ihn/sie zwei volle AE aus
dem Orbit des Neptun hinausbefördert, bevor die Diskussion
beginnt oder er sich fragt (je nachdem, wie viele Louies er gerade
ist), wie man das Sonnensystem entwickeln soll, wenn dieser lokale
Störfall auf dem dritten Planeten erst einmal behoben ist.
    Erst in der dritten Stunde der Begegnung wird aus der Konversation
ein Monolog. Louie fühlt sich wieder als Einheit, aber auch
einsam.
    Er muß sich jetzt auf mehr Prozessoren und über eine
größere Entfernung verteilen, und nun beträgt die
Distanz zwischen den beiden Endpunkten fast zwei Lichtsekunden. Es
ist ein anderes Gefühl, aber keines der Beschränkung,
sondern er hat den Eindruck eines erweiterten Unterbewußtseins
und einer tieferen Emotionalität. Er fragt sich, wie es wohl
wäre, über das ganze Sonnensystem verteilt zu sein. Wenn er
in den Orbits der Planeten Prozessor-Verbindungsstationen einrichten
würde, in Abständen von ein paar Lichtsekunden über
die ganze Distanz zwischen dem Orbit des Merkur im inneren
Sonnensystem bis hin zum Orbit des Neptun am Rande des
Systems…
    Nun gut, zweifelsohne wird er es eines Tages herausfinden. Er wird
sowieso jede Menge Prozessoren brauchen, um das Netzwerk der
Verstärkungsstationen zu überwachen, das er bereits geplant
hat… Tausende von Louies, alle auf dem
›Weltraumbahnhof‹ – der Gedanke an den Schachclub und
die Debattierclubs, die sie aufziehen könnten, hat etwas
für sich. Langsam wird es nämlich langweilig hier
draußen.
     
    In der Statistik existiert ein Theorem, wonach man zum Erreichen
eines absoluten Rekords erstens außergewöhnlich begabt und
zweitens immer zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort sein
muß. Franklin Roosevelt war ein brillanter Wahlkämpfer,
aber er wurde nur einmal mit einem erstklassigen Gegner konfrontiert.
Joe Louis und Muhammad Ali waren großartige Boxer, aber sie
kämpften sehr oft gegen Amateure. Babe Ruth war ein großer
Baseball-Spieler, aber er hatte elastischere Bälle, kürzere
Feldbegrenzungen und schlechtere Werfer als Gegner; Hank Aron
mußte gegen aufsteigende Vereine kämpfen.
    So ist der Meister im Totschlag, ›Clem 650‹, einer der
größten Ableger von ›Clem‹ und zugleich auch zur
richtigen Zeit am richtigen Ort. Es hat niemals auch nur die
geringste Chance bestanden, Japan zu evakuieren, und selbst mit
Replikationsmaschinen hätten die Japaner nicht genügend
Zeit gehabt, ausreichend hohe Deiche zu errichten. ›Clem
650‹ vollführt einen Schwenk, nimmt Kurs auf das
nordöstliche Honshu und rast über die dichtbesiedelte Insel
hinweg, für die jede Hilfe zu spät kommt. Allein dieser
Sturm fordert in neun Tagen eine halbe Milliarde Todesopfer.
    Am 26. August trifft er auf die Küste bei Yokohama, und
obwohl die Japaner auf diesbezügliche Fragen nicht reagieren,
zeigt das Radar am nächsten Tag, daß in Tokio kein
Gebäude mehr steht.
    ›Clem 650‹ schwenkt nach Süden, zieht über die
Meerenge zwischen Honshu und Kyushu hinweg und erzeugt eine
trichterförmige Flutwelle, die an die chinesische Küste
brandet, und dann rast er nach Süden durch die Meerenge von
Formosa.
    Die Flutwelle, die sich in der Meerenge von Formosa zwischen der
Insel Formosa und dem chinesischen Festland bildet, wird aufgestaut
und kanalisiert, wobei sie eine solche Dynamik entwickelt, daß
sämtliche Hafenstädte von Quanzhou bis Zhanjiang ausradiert
werden – einschließlich Honkong und Macau –, wie
Wasser aus einem Feuerwehrschlauch, das in eine Schneeverwehung
schneidet. Die Videoaufnahmen aus China sind grauenhaft – Massen
von Menschen, die über kollabierte Leichenhaufen in den
Straßen klettern und verzweifelt versuchen, aus den
tiefgelegenen Küstenstädten zu entkommen.
    Später, als die Ausläufer von ›Clem 650‹
über China hinwegziehen und sich mit Tornados und Gewittern
verabschieden, überrascht der Sturm Millionen von
Flüchtlingen auf freier Ebene. Am 4. September dringt ›Clem
650‹ zum letzten Mal ins Landesinnere vor und überzieht die
Tibetanische Hochebene mit einer breiten Front feuchter Warmluft,
worauf er den Flüssen Mekong, Red and Hongshui ein schweres
Hochwasser beschert.
    Nun, da die Nachrichtenübermittlung zusammengebrochen,

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