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Die Mutter aller Stürme

Die Mutter aller Stürme

Titel: Die Mutter aller Stürme
Autoren: John Barnes
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und da steht sie
nun im Hinterhof, in Schlafanzug und Bademantel und mit der
aktivierten Datenbuchse, und schaut hinaus auf die großen
Brecher, die in die St.-Helena-Bucht hereinkommen. Durch das von
2026RU reflektierte Licht, der wie ein riesiger Vollmond am Himmel
steht, ist es fast taghell. Nur die hellsten Sterne sind in diesem
Glanz noch sichtbar.
    Alice sagt nichts – sie ist noch gar nicht richtig wach
–, und ihr Vater fragt sich, ob das alles ein Wachtraum
sei…
    Weit draußen im Westen erscheint ein glühender Streifen
am Himmel, wie eine lange, dicke, weiße Linie. Als sie schon
fast bis zum Horizont abgesunken ist, glüht sie hellorange auf,
verwandelt sich dann in eine kontrastreiche orangefarbene und
weiße Flamme und zieht schließlich einen langen
weißen Streifen hinter sich her, größer als jede
Sternschnuppe, die er bisher gesehen hat.
    Er fühlt, wie Alice nach seiner Hand greift; sie starrt mit
offenem Mund zum Himmel, als das große Objekt verschwindet.
    Minuten später hat es sich in ein großes, brennendes
Oval am Himmel verwandelt, zehnmal so groß wie der Vollmond
– und dann zerfällt es schnell in unzählige
Sternschnuppen. Als gerade die letzten Sternschnuppen am Himmel
verglühen, hören sie ein lautes Geräusch.
     
    Das Telefon in Nathan Zulus Tasche klingelt. Er aktiviert es, und
am anderen Ende ist Louie Tynan. »Könnte ich bitte Alice
sprechen, Dr. Zulu?«
    Er reicht ihr das Telefon und hört, wie Louie fragt:
»Hat es dir gefallen?«
    »Es ist wirklich grell, Sir«, sagt sie.
    »Das bedeutet ›gut‹«, fügt Nathan
über ihre Schulter hinzu.
    Louie lacht. »Da bin ich erleichtert. Ich wollte nur,
daß du das siehst, Alice. Ich bin nämlich ein großer
Fan von Innocent Age.«
    »Und ich bin ein großer Fan von Ihnen«, sagt sie
strahlend.
    Sie unterhalten sich noch ein paar Minuten, dann beendet Tynan das
Gespräch. Alice’ Augen leuchten, und während ihr Vater
sie in ihr Schlafzimmer hinaufträgt und ins Bett legt, plappert
sie fast ununterbrochen.
    Ihm scheint, daß es nicht einfach sein wird, seiner Tochter
demnächst vom Weihnachtsmann zu erzählen, wie seine Frau
ihm geraten hat. Sie glaubt nämlich schon an Dinge, die viel
unglaublicher sind – eben weil sie wahr sind.
    Der nächste Aufsatz in dem Stapel, den er zensieren
muß, trägt die Überschrift: ›Jung: Elemente des
Phantastischen im Alltag‹. Wahrscheinlich hat der Junge es
irgendwo abgeschrieben. Binnen weniger Minuten ist Dr. Zulu wieder
ganz mit der Benotung beschäftigt. Auch wenn dort draußen
ein unheimlicher Schimmer zu sehen ist und seine Tochter mit Kometen
redet, geht das Leben weiter.
     
    »Jetzt das Neueste und Merkwürdigste«, sagt Lynn zu
Präsidentin Hardshaw. »Gerade hat er über dem
Südatlantik einfach so eine Scheibe fallen lassen. Ohne
ersichtlichen Grund. Aber er scheint nichts zu verbergen… viele
Dinge tut er nur so schnell, daß wir nicht mehr
mitkommen.«
    »Was mich daran erinnert, daß er gute Nachrichten
hatte. Louie sagt, daß er schon Versuche mit den
Mikrowellen-Lasern durchgeführt hat, und anscheinend gelingt es
ihm auch, die Kristalle in Sauerstoff und Wasserstoff
aufzulösen.«
    »Die Kristalle?« fragt Lynn. Sie muß ziemlich laut
sprechen, denn der Salzregen, der in Charleston fällt,
übertrifft alles, was der Amazonas bisher abbekommen hat, aber
sie haben keine Angst mehr, daß die Gebäude nicht halten
werden.
    »Nun gut, wenn diese Eisscheiben in einer Höhe von
dreißig Kilometern durch die Verdampfung und die Schockwelle
zerbersten, gefriert das Wasser, das sie freisetzen, sofort wieder zu
Kristallen. Es sind nämlich die Kristalle, welche die Wolken
bilden, die ihrerseits die Sonne ausblenden. Was Louie Sorgen
bereitet, ist die Frage, wie er die Kristalle auf der Nachtseite der
Erde beseitigen könnte, denn in der Nacht stauen sie die
Wärme. Anscheinend hat er eine Methode gefunden, den Maser
– den Mikrowellen-Laser – so einzusetzen, daß durch
die Wucht, mit der die Kristalle abgestoßen werden, der
Wasserstoff vom Sauerstoff geschieden wird und der Wasserstoff
größtenteils in den Weltraum entweicht.«
    Lynn nickt. »Gut, jetzt weiß ich so viel, um damit
hausieren gehen zu können, wenn es sein muß.«
    »Und das ist nicht das einzig Merkwürdige, Frau
Präsidentin. Die Berichte von Carla erscheinen nun in
Netzwerk-Journalen auf der ganzen Erde – richtige Zitate und so.
Sie schreibt ungefähr vier wissenschaftliche Abhandlungen pro
Minute und
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