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Die Mutter aller Stürme

Die Mutter aller Stürme

Titel: Die Mutter aller Stürme
Autoren: John Barnes
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veröffentlicht sie dann.«
    »Aber wird das alles auch funktionieren?« fragt Lynn.
Sie genehmigt sich einen großen Schluck heißen Kaffees.
Sie weiß, daß draußen die Hauptstadt von West
Virginia – die jetzt als provisorischer Amtssitz der Regierung
der Vereinigten Staaten fungiert – nun mit Sandsäcken
gesichert wird, und daß zweihundert Marineinfanteristen darum
kämpfen, dieses Bollwerk gegen die in den Straßen
wütenden Fluten aufrechtzuerhalten. Wahrscheinlich werden sie,
sobald der Regen auch nur ein bißchen nachläßt,
damit aufhören; bis dahin, allzeit einsatzbereit bis zum
Äußersten und so weiter, schuften sie da draußen in
einem Regen, der so heftig ist, daß bei einem Ausrutscher die
Gefahr des Ertrinkens droht. »Bevor wir weiterreden, eine
Belobigung für den Kommandanten, und schickt den
Marineinfanteristen Essen und Kaffee. Falls nötig, lassen wir
den Kongreß verhungern.«
    »Ein Teil des Kongresses ist zusammen mit den
Marineinfanteristen dort draußen«, bemerkt Lynn. »Der
Rest kann trotzdem ruhig verhungern.« Sie wendet den Kopf, um
den Befehl weiterzugeben, und dann ihre Aufmerksamkeit wieder dem
Bildschirm zu. »Es sieht ganz danach aus, daß sie –
Carla Tynan, meine ich – alle möglichen Berichte über
ökologische Auswirkungen des Hurrikans schreibt. Die Abhandlung,
die in der Wissenschaftsabteilung der NSA Aufmerksamkeit erregt hat,
befaßte sich mit der Maser-Behandlung der Eiskristalle.
Wahrscheinlich wird der ganze Wasserstoff in den Weltraum entweichen,
ganz nach Plan – seine Molekulargeschwindigkeit übertrifft
bei weitem die Fluchtgeschwindigkeit, und in dieser Höhe werden
zirka sechzig Prozent vom Weltraum absorbiert werden. Beim Sauerstoff
liegen die Dinge jedoch anders. Dieser hochenergetische, monoatomare
Sauerstoff wird zu einer starken Ozonbildung führen.«
    »Ist das denn nicht gut? Ich meine, werden dadurch nicht die
Löcher in der Ozon-Schicht geschlossen?«
    »Carla meint, es wird noch viel mehr bewirken; sie hatten
nicht genug Zeit, die Abhandlung ganz durchzulesen, aber aus der
Zusammenfassung geht hervor, daß die Ozonschicht viel dicker
sein wird als jemals zuvor. Dies bedeutet einen wesentlich
höheren Ausschluß von ultravioletter Strahlung, und das
führt wiederum dazu, daß viele der Insekten, denen das
ultraviolette Licht den Weg zu den Blumen weist, die Pflanzen, die
sie befruchten sollen, nicht finden. Deshalb macht sie Angaben
über die im Laufe der Erholung zu erwartenden ökologischen
Folgen.«
    »Wird es denn überhaupt eine Erholung der
Ökosysteme geben?«
    »Das meint wenigstens Carla. Und wenn man die Kapazität
der Prozessoren überschlägt, haben die Gehirne von Carla
und Louie im Vergleich zu unseren eine billiardenfache
Leistungsfähigkeit. Meiner Ansicht nach können wir nicht
viel mehr tun, als sie beim Wort zu nehmen.«
    Lynn lehnt sich zurück und trinkt ihren Kaffee aus.
Früher einmal hat sie die Tassen gezählt, um sicher zu
sein, daß sie nicht zuviel davon trank; jetzt scheint es ihr,
als könne sie kaum genug davon trinken. Jemand reicht ihr einen
Hot Dog, sie beißt hinein und kaut mechanisch. Als sie
aufblickt, sieht sie in das erstaunte Gesicht einer Frau, die sie nie
zuvor gesehen hat, eine grauhaarige Frau mit einer roten
Schürze; auf den zweiten Blick sieht sie, daß die Frau die
Kluft einer Laden-Kette trägt. »Sind Sie in Ordnung, Frau
Präsidentin?«
    »Es ging mir schon mal besser. Sie beschaffen also die
Nahrung für die Regierung der Vereinigten Staaten?«
    »Ja. Wenn das hier vorbei ist, stellen wir an jeder Ecke
Schilder auf mit der Aufschrift: ›Präsidenten-Hot-Dogs und
Präsidenten-Cheese-Nachos‹.« Die grauhaarige Frau
grinst Brittany Lynn Hardshaw an, und die grinst zurück.
    »Wußten Sie schon, daß ich als junges
Mädchen auch in einem Laden gearbeitet habe?«
    »Ich glaube, ich habe das in den Text-Nachrichten
gelesen.«
    »Wissen Sie, wenn ich zurückblicke, bin ich immer
noch froh, daß ich diese Arbeit nicht ein Leben lang machen
mußte.« Sie hat schon bessere Witze gemacht, aber die
grauhaarige Frau lacht dennoch. Lynn sieht, daß ihr
Namensschild sie als ›Lorraine‹ ausweist. »Haben Sie
Kinder oder Enkel, Lorraine?«
    »Ja. Etwas weiter oben auf dem Hügel haben wir ein Haus
mit einem Betonfundament, und ihr Vater ist bei ihnen. Ich glaube, es
geht ihnen gut.«
    »Wenn das alles vorbei ist, dann richten Sie ihnen von mir
aus, sie sollen…« Lynn denkt kurz nach. Das Haus
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