Die Mutter aller Stürme

unterscheiden wußten.
    Nach einer Weile fingen Scout und Rigger gleichermaßen an,
sich zu reproduzieren und im Netz umherzuwandern, stets auf der Suche
nach einem Nodus, einem Verknüpfungspunkt, den sie noch nicht
infiziert hatten. Im Jahre 2028 haben die Scouts auch den letzten
Rest an Privatsphäre eliminiert.
    Solange los corporados für die subversive
Tätigkeit der Späher entschädigt wurden, waren die
einzigen, die sich daran störten, die isolierten Sonderlinge,
die sich auf schriftlichem Wege beim Kongreß über die
›Verletzung der Privatsphäre‹ beschwerten.
    Mittlerweile hat eine große Zahl unterschiedlicher
Organisationen die Bedeutung der Arbeit der NOAA erkannt –
insbesondere nach den Globalen Chaostagen. Also haben die
Lauschprogramme in der Peripherie der NOAA Stellung bezogen, wie
Mücken in einem Sumpf. Es ist nachgerade ein Wunder, daß
nur dreißig Scout-Sippen sich als Verbreiter der Neuigkeiten
betätigen.
    Eine kleine Bande von Datenspähern prescht nur ein oder zwei
Meilen – obwohl sie die Knotenpunkte in Boston, Cleveland und
zum Teil in Trinidad nutzen – in das
Telekommunikations-Analyseprogramm des FBI vor, das nach einer
schnellen Abhöraktion zu dem Schluß gelangt, daß Di
nichts Vertrauliches ausgeplaudert hat, woraufhin sie die Akte von
Jesse öffnen und auf die Verbindung zu Naomi stoßen, wobei
sie befinden, daß sie die Informationen höchstens dazu
verwenden könnte, ihren Einfluß bei den
Studentenorganisationen zu stärken. Dies wird mit ihrer
Beurteilung durch das FBI abgeglichen, derzufolge sie als
uncharismatisch und somit harmlos gilt, zumindest aber anderen
potentiellen Studentenführern vorgezogen würde. Die
Datenspäher legen ein Verzeichnis an, speichern die Daten und
schließen die Datei.
    Die meisten anderen Scouts arbeiten für
Informations-Organisationen, und diese selektieren die relevanten
Aspekte von Dis Aussagen, ermitteln die Kongruenz mit dem Material,
das die NOAA ihnen vor einer Dreiviertelstunde als Pressemitteilung
hatte zugehen lassen und entnehmen dann dem Ganzen zwei
nützliche Informationen: den Namen Di Callare und die Tatsache,
daß die NOAA die Wahrheit sagt.
    Der Vorgang ist ungefähr in dem Moment abgeschlossen, als
Jesse die Videokamera und den Monitor von der Wand des Abteils
entfernt und Di Zeit findet, zu verschnaufen und den Blick wieder auf
das Diagramm zu werfen – diese Fakten werden gewichtet, in die
Datenbank integriert und mit einem Preis versehen. Wenn jemand sich
dafür interessiert, kann er sie haben – gegen eine
Gebühr.
    Drei kleine und primitive Datenspäher – die allesamt
Merkmale unzureichender Finanzmittel aufweisen –, machen sich
mit Daten über die drei Präsidentschaftskandidaten aus dem
Staub. Die einzigen Schlüsse, die ihre Auftraggeber dann daraus
ziehen, besagen, daß die Kampagnen noch geheimgehalten werden.
Das Büro des Anwärters der Republikaner hat einen
Beschwerdebrief an Präsidentin Hardshaw geschickt, in dem an
ihre Parteiloyalität appelliert wird. Es handelt sich dabei um
einen solchen Routinevorgang, daß sie sogar ein Formblatt
dafür haben.
    Ein rein kommerzieller, schlicht strukturierter Daten-Späher
leitet das ganze Gespräch von Berlina Jameson weiter, die sich
gegenwärtig im Motel Two in Point Barrow, Alaska,
aufhält. Es gebricht ihm sogar an der Intelligenz, die Bedeutung
einer Sache zu erkennen, da aber so viele Dinge, nach denen er sucht,
häufig erwähnt wurden, weist er der Aufnahme höchste
Priorität zu.
    Ein Daten-Späher schlägt indes aus der Art – er ist
sehr groß und intelligent. Für die Reise zum GateTech- Hauptquartier in Cape Canaveral zerlegt er sich in
eine Million Fragmente und schleust sie nacheinander in das Netz ein,
wie eine Wasserschlange, sich vom Flußufer löst. Neben
einer vollständigen Aufzeichnung, dem beigefügten Index und
Querverweisen zu anderen Gesprächen sowie entsprechenden
Auszügen existiert eine ganze Struktur von Gedanken und Fragen,
die dem Volumen (wenn sie in Textform vorläge) von zwanzig alten
Enzyklopädien entspricht.
    Elf Millisekunden später deponiert in Cape Canaveral eine der
von Glinda Gray geschaffenen und als Assistenten eingesetzten
Künstlichen Intelligenzen eine Notiz in der elektronischen
Ablage, welche besagt, daß sie vielleicht auf eine signifikante
Information gestoßen ist. Bisher hat sie ein Dossier von
fünf Seiten angelegt, das unter der Bezeichnung ›Diogenes
Callare‹ firmiert.
     
    Ein anderer