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Die Mutter aller Stürme

Die Mutter aller Stürme

Titel: Die Mutter aller Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Barnes
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Daten-Späher handelt im Auftrag der Industrial
Facilities Mutual, einem großen
Industrie-Versicherungskonsortium, und er ist wahrscheinlich der
zweitklügste Späher in der Sub-Station. Mit der Meldung,
daß die klimatischen Risiken dramatisch unterschätzt
worden sind, eilt er ins Hauptquartier nach Manhattan.
    Dort untersuchen Künstliche Intelligenzen den Sachverhalt,
schließen sich der Einschätzung des Spähers an und
setzen neue Prioritäten. Der Zeitplan für die Inspektion
von Anlagen und Einrichtungen wird je nach Priorität festgelegt
– so wird zum Beispiel der Brandschutz einer Fabrik im trockenen
Kalifornien öfter inspiziert als bei einem Werk an der
Küste von Oregon –, und so wird die Priorität für
alle Wetterrisiken erhöht: Funktürme,
Überland-Hochspannungsleitungen, Werkshallen mit
Flachdächern, auf denen sich viel Schnee ansammelt,
Geschäfte in Schwemmlandebenen…
    Nach vier Sekunden gehen die neuen Prioritäten an die
jeweiligen Ingenieure. Der für Hawaii zuständige Ingenieur
schläft noch, als sein Computer die neuen Instruktionen
erhält, die in seinem Zuständigkeitsbereich liegenden
Objekte überprüft und der NAOS, der Betreibergesellschaft
der neuen Kingman Reef Heavy Launch Facility, eine vorgezogene
Inspektion avisiert.
    Diese Mitteilung ist also das erste, womit die beiden
Geschäftsführer von Kingman beim Frühstück
konfrontiert werden. Der Werksleiter, Akiri Crandall, der sowohl die
restlichen Bauarbeiten als auch den Betriebsablauf überwacht,
ist empört; nicht zum erstenmal wünscht er sich wieder zur
Marine zurück, auf seinen alten Posten als Kommandant eines
Zerstörers. Der Inspektor wird sich einen ganzen Tag lang im
Betrieb herumtreiben, und wo immer er auftaucht, wird die Arbeit zum
Erliegen kommen und die Gerüchteküche dafür um so
aktiver sein.
    Gunnar Redalsen, Leiter der Startoperationen, war ohnehin schon
mißgestimmt; in letzter Zeit wacht er bereits übellaunig
auf. Die Monster ist die bisher größte Rakete, die
jemals ins All fliegen soll; bis zum Probelauf sind es gerade noch
drei Monate, und sie liegen jetzt schon zehn Tage hinter dem Zeitplan
zurück, und das letzte, was er nun gebrauchen kann, ist eine
weitere Verzögerung.
    Unglücklicherweise kommen Crandall und Redalsen nicht
miteinander aus, und das ist auch allgemein bekannt, was noch
schlimmer ist. Drei Stunden nach Beginn der Tagschicht bringen
Störenfriede auf beiden Seiten das Gerücht in Umlauf,
wonach die andere Seite irgendwie für die vorzeitige Inspektion
verantwortlich sei, und zwischen den Unternehmensbereichen
›Raketenstarts‹ und ›Allgemeine
Geschäftstätigkeit‹ bricht ein regelrechtes Mobbing
aus. In der Mittagspause gelangen Crandall und Redalsen zu der
Ansicht, eine ›Friedenskonferenz‹ abhalten zu müssen
(einen ›Krieg‹ wollte keiner von beiden) und weisen die
Belegschaft an, die Auseinandersetzungen einzustellen und sich wieder
an die Arbeit zu begeben.
    Den ganzen Nachmittag herrscht zwischen den entsprechend
disponierten Kollegen eisiges Schweigen, und abends gibt es dann
Ehestreitigkeiten, heulende Kinder, und viele Leute gehen verstimmt
zu Bett.
    Während des ganzen langen Tages brandet draußen der
Pazifik an die Küste, wie er es schon seit Jahrtausenden tut;
weil jedoch ein wolkenloser Himmel und warmes Wetter für hiesige
Verhältnisse normal sind und ohnehin kaum jemand die Station
verläßt, fällt es auch niemandem besonders auf,
außer ein paar Leuten, die einen freien Tag haben und in der
Sonne liegen. Die vom westlichen Horizont kommenden Wellen brechen
sich an den Betonpfeilern und rollen weiter zum östlichen
Horizont; im Wechsel der Gezeiten steigt und fällt das Wasser
leicht an den Seiten der Station, mehr nicht. Als die Nacht
hereinbricht, beginnen Tausende von Sternen ihren Reigen, aber
niemand sieht sie.
    Im Innern der Station wälzt Crandall sich schlaflos auf dem
Bett. Er weiß, daß Redalsen wegen der Inspektion
verärgert ist und daß weiterer Ärger bevorsteht. Die Monster, die jetzt ruhig neben der Startrampe steht und erst
in einigen Monaten betankt werden wird, wird termingerecht starten
– dafür sorgt Redalsen schon –, aber Crandall
weiß, daß die Auseinandersetzungen noch lange nicht
beendet sind.
    Bevor Redalsen einschläft, fragt er sich noch, warum Crandall
nicht begreift, daß die Aufgabe einer Starteinrichtung eben
darin besteht, Dinge zu starten.
     
    Nach dem Gespräch mit seinem Bruder lehnt Jesse Callare

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