Die Mutter aller Stürme
Worten, zu sehr intensiven
Luftströmungen.
Die KI ließ nun einige recht faszinierende Berechnungen
laufen – auf eine gespenstische Art faszinierend. Die von der
Erde zurückgehaltene, nicht wieder in das Weltall abgestrahlte
Energie liegt nur um einen drittel Prozentpunkt höher als normal
– als das Energieniveau aber zuletzt um diesen Betrag reduziert wurde, reichte das aus, um die Kleine Eiszeit
auszulösen. Wenn die globale Erwärmung sich im jetzigen
Ausmaß fortsetzt – obwohl der Anstieg, wie die KI anmerkt,
sich zumindest verlangsamen soll, wird auf der Erde in diesem Jahr
schon eine Durchschnittstemperatur herrschen, die… heiliges
Kanonenrohr! – eigentlich erst im Jahre 2412 erreicht werden
sollte.
Also spannt sich diese Pressemitteilung als hauchdünnes
Faktengewebe über eine implizite Lüge. Wenn etwas sicher
ist, dann das, daß etwas geschehen wird, und dieses
›etwas‹ wird gewaltig sein. Alles andere sind
Spiegelfechtereien für die Öffentlichkeit, die in dem
Glauben gewiegt werden soll, die zuständigen Stellen wären
über die Sachlage orientiert.
Darüber hinaus – und das war der Grund für den
Jubel –, wenn man die Details außer Acht läßt,
wenn man die Dinge ganzheitlich betrachtet, anstatt sie zu
zerpflücken, denn existiert etwas, das den Schlüssel in
sich birgt, aus dieser Situation Kapital zu schlagen; und ihre KI hat
diesen Schlüssel bereits gedreht.
Sie macht Gebrauch von ihrem Überrangstatus, um eine
Verbindung zu John Kliegs Büro zu bekommen, und es
überrascht sie nicht im geringsten, daß er anwesend ist.
Er ist der Ansicht, daß seine Mitarbeiter zu hart arbeiten und
möchte sie schonen, aber man betrachte nur, wie er sich selbst
schont – oder eben nicht schont. Das Arbeitsethos des Mannes
entspringt definitiv dem zwanzigsten Jahrhundert.
»Chef, ich glaube, wir haben, wonach wir gesucht
haben.«
Klieg grinst sie an. »Supermädchen. Kommen Sie zu mir
und berichten Sie. Und wenn Sie damit fertig sind, möchte ich
eine Erklärung dafür haben, warum Sie das Wochenende nicht
mit Ihrem Kind verbringen oder einen Stadtbummel machen.«
Sie lächelt über seine Worte, denn sie weiß, was
immer er auch sagt, er meint es nicht so.
Gegen Ende des zwanzigsten Jahrhunderts setzte sich das Paradigma
durch, daß die Wirtschaft sich über den Tauschhandel eines
Signals – Aufträge, Forderungen, Schulden, Unterhaltung,
Lizenzen und tausenderlei anderer Dinge – gegen ein anderes
Signal – Geld – definiert. Die Produktion physikalischer
Güter entwickelte sich zusehends zu einem Selbstläufer; der
Geldkreislauf wurde durch die den Produkten beigefügten Zeichen
aufrechterhalten.
Diese Entwicklung wies durchaus eine Parallele auf: auf der
Pazifikinsel Yap hatte lange Zeit eine Währung in Form riesiger
Steinräder existiert, und Eigentum hatte überwiegend in
Bodennutzungs- und Fischereirechten bestanden. Weder das Land noch
die Fische waren Umlaufvermögen, und auch das Geld war zu
unhandlich, als daß es wie andere Währungen hätte in
Umlauf gebracht werden können; nur die Informationen flossen
frei.
Im Jahre 2028 hat die restliche Welt mit Yap gleichgezogen.
Passionet blendet aus, als Synthi und Rock sich
aneinanderkuscheln und den Anschein erwecken, sie würden in den
Armen des jeweils anderen einschlafen. Als Synthi sich bei den
Verantwortlichen des Netzwerks wegen ihrer körperlichen
Überlastung beklagte, übten sie großen Druck auf sie
aus, aber, mit Rocks Hilfe erreichte sie schließlich, daß
man ihr den benötigten Urlaub gewährte, und die
Freischichten beginnen in diesem Moment.
Wie sich außerdem herausstellte, hatte Rock ständig
Urlaub genommen – »Du mußt sie fragen, Synthi, und
dann dafür sorgen, daß sie die Abmachungen auch einhalten;
von sich aus tun sie es nämlich nicht« –, und er hatte
sich auch bei der Abwicklung des ganzen Papierkrams als sehr
hilfreich erwiesen.
Als sie das Wort ›Klappe‹ hören, lösen sie
sich voneinander. »Ich habe dich doch nicht verletzt?«
fragt Rock und greift nach einem Handtuch, um sich den Perus
abzuwischen.
»Ich war schon wund, als wir anfingen, aber ich nehme nicht
an, daß es durch dich noch schlimmer geworden ist. Du bist ein
sehr zärtlicher Mann, weißt du.«
»Ja«, seufzt er. »Ich werde dich während der
nächsten Monate vermissen. Du bist wirklich ein Profi. Und,
ehrlich gesagt, es fällt mir so schwer, mich noch für die
Nachrichten zu interessieren, daß es mir lieber
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