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Die Mutter aller Stürme

Die Mutter aller Stürme

Titel: Die Mutter aller Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Barnes
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Mittagessen gehen und dann nicht
zurückkommen, besteht darin, daß nach all den Jahren jeder
annimmt, sie würden an irgendeiner Sache arbeiten und
hätten beschlossen, dies außerhalb des Firmengeländes
zu tun. Der eigentliche Grund ist jedoch der, daß jeder damit
beschäftigt ist, die XV-Meldung bezüglich der Abreise von
Synthi Venture zu verfolgen, und in dem Augenblick, in dem Klieg und
Gray zusammen durch das Foyer gehen, hat die gesamte Belegschaft ihre
Datenbrillen, -handschuhe und Haarnetze angelegt.
    Glinda kann diesen Vorgang kaum fassen. Sie kam ins Büro und
meldete: »Zum einen sagt die KI, es besteht eine
sechsundneunzigprozentige Wahrscheinlichkeit, daß die
Windstärke über der gesamten Hemisphäre sich in einem
bisher nicht gekannten Ausmaß erhöht. Jede fragile
Struktur wird beschädigt werden. Man kann zwar Sende- und
Empfangsantennen austauschen und verstärken, Stromkabel unter
die Erde verlegen, Schornsteine verstärken oder durch
Abluft-Gebläse ersetzen… was sich aber nicht kurzfristig
bewerkstelligen läßt, ist eine Umrüstung der
Raumfahrtzentren. Die vorhandenen Raumschiffe müssen zügig
starten, bevor der Sturm aufzieht. Er wird den Satellitenstart
nämlich völlig zum Erliegen bringen, zuerst in der
nördlichen Hemisphäre, dann in der südlichen. Und der
Satellitenstart ist ein Geschäft mit einem jährlichen
Volumen von annähernd einer Billion Dollar.«
    »Gibt es denn keine Allwetter-Starteinrichtungen?«
    »Man könnte die Starts zwar von Flugzeugen aus
durchführen, die von den wenigen Allwetter-Flughäfen
aufsteigen. Aber auch die Allwetter-Flughäfen schließen
bei Wirbelstürmen, Chef, und die luftgestützten Starts sind
kaum mehr aktuell, seit es Raketen gibt, die den Orbit mit nur einer
Stufe erreichen können… wenn es uns gelingt, in den
nächsten drei Monaten ein Allwetter-Startsystem bereitzustellen,
sichern wir uns vielleicht für ein Jahr das globale Monopol auf
die Raumfahrt.«
    Aus der Art, wie er zu ihr hochschaute und sie angrinste,
schloß sie, daß sie gute Arbeit geleistet hatte, und als
er dann zum Telefon griff und ihr die Projektleitung übertrug
– Herr im Himmel, am Monatsende würde sie ein Team mit
tausend Mitarbeitern leiten – wußte sie, daß sie
noch besser als gut war. Diesmal hatte sie wirklich die ganzen
Arbeiten unter sich.
    Was er dann sagte, traf sie indes unvorbereitet. »Gut, die
Sache wird erst am Montag richtig anlaufen, und dann werden Sie so
beschäftigt sein, daß an Freizeit nicht mehr zu denken
ist. Und bei mir auch nicht, wenn das Projekt fundiert realisiert
werden soll. Warum holen wir beide also nicht Derry ab und machen uns
noch einen schönen Tag?«
    Zum einen hatte sie noch nie den Eindruck gehabt, daß John
Klieg auch nur zugehört hätte, wenn sie über ihr
Privatleben sprach; zudem wußte sie ja auch nicht, wie er die
Wochenenden verbrachte – eigentlich hatte sie immer den Eindruck
gehabt, daß er nur arbeitete und bloß nach Hause ging, um
zu essen und zu schlafen. Aber jetzt… kein Zweifel, da stand sie
nun, ungeschminkt, in Pullover und Jeans und Sportschuhen, denn es
war ja Samstag – und ihr Chef, ein netter, blendend aussehender
Kerl, hatte sie eingeladen. Und diese Einladung erstreckte sich auch
auf ihre Tochter, was den Schluß zuließ, daß es dem
Mann ernst war.
    Nun gehen sie also zusammen durch die Halle, wobei sie so
schweigsam ist wie schon seit Jahren nicht mehr, und er wirkt auch
ziemlich still. In der Garage entscheiden sie sich für die
Benutzung seines Autos und programmieren ihr Fahrzeug für eine
automatische ›Heimfahrt‹, so daß es innerhalb der
nächsten Stunden selbständig ihre Garage ansteuert und sich
dort einstellt, sobald die eingehenden Verkehrsmeldungen den
günstigsten Tarif anzeigen.
    Er füttert sein Fahrzeug mit ihrer Adresse, woraufhin es die
Rampe hinabfährt und sich in die Spur einfädelt. »Im
Grunde widerspricht das allen meinen Prinzipien«, meint er mit
dem Anflug eines Lachens, das wie ein Husten klingt. »Ich bin
nun schon seit fünfundzwanzig Jahren im Geschäft, und heute
habe ich zum erstenmal eine Mitarbeiterin eingeladen.«
    Glinda blickt auf ihren Schoß und lächelt. »Nun,
Chef, ich arbeite selbst schon seit sechzehn Jahren bei GateTech, und jetzt habe ich mich zum erstenmal mit jemandem aus der Firma
verabredet.«
    »Sie dürfen mich ruhig ›John‹ statt
›Chef‹ nennen.«
    »Ich werde es versuchen, John. Aber es wird sicher noch eine
Weile dauern, bis

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