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Die Mutter der Königin (German Edition)

Die Mutter der Königin (German Edition)

Titel: Die Mutter der Königin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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«Ich muss es wissen. Edmund! Sagt es mir!»
    Er spricht noch einen Augenblick mit dem Boten, doch als er sich umdreht, sieht er aus, als hätte ihn jemand ins Herz getroffen. «Es geht um John Talbot», sagt er leise.
    Die Königin taumelt, als die Knie unter ihr nachgeben, dann sinkt sie ohnmächtig zu Boden. «Helft mir», sage ich rasch zu einer Hofdame, doch der Herzog drängt sich an uns vorbei, hebt die Königin hoch und trägt sie in ihr Schlafgemach, wo er sie behutsam aufs Bett legt.
    «Holt die Ärzte», fahre ich eine Hofdame an und laufe hinter ihnen her. Er kniet über ihr, die Arme noch um sie geschlungen. Wie ein Liebhaber beugt er sich über sie, hält sie im Arm und flüstert ihren Namen. «Marguerite», sagt er drängend. «Marguerite!»
    «Bitte nicht!», sage ich. «Euer Gnaden, Lord Edmund, lasst sie los. Ich kümmere mich um sie. Geht.»
    Sie wacht wieder auf und hält ihn fest, ja, sie klammert sich förmlich mit beiden Händen an seine Jacke. «Sagt mir alles», flüstert sie voller Verzweiflung. «Schont mich nicht, schnell.»
    Ich schlage die Tür zum Schlafgemach zu und lehne mich mit dem Rücken dagegen, bevor jemand sieht, wie er die Hände um ihr Gesicht legt und sie seine Handgelenke hält. Und wie tief sie einander in die Augen sehen.
    «Meine Liebste, ich bringe es kaum über mich, es dir zu sagen. Lord Talbot ist tot und sein Sohn auch. Er konnte Castillon nicht verteidigen, wir haben es verloren, genau wie Bordeaux, wir haben alles verloren.»
    Sie zittert. «Gütiger Gott, die Engländer werden mir niemals verzeihen. Wir haben die ganze Gascogne verloren?»
    «Ja», sagt er. «Und John Talbot, Gott sei seiner Seele gnädig.»
    Tränen laufen ihr über die Wangen, und Edmund Beaufort senkt den Kopf und küsst sie fort, küsst sie wie ein Liebender, der seine Geliebte tröstet.
    «Bitte nicht!», rufe ich wieder entsetzt. Ich trete ans Bett, lege ihm eine Hand auf den Arm und will ihn von ihr fortziehen, doch sie sind blind und taub, sie klammern sich aneinander, sie hat die Arme um seinen Hals geschlungen, er kniet halb über ihr, während er ihr Gesicht mit Küssen bedeckt und Versprechungen flüstert, die er nicht halten kann. In diesem Augenblick, in diesem schrecklichen, schrecklichen Augenblick, geht die Tür auf, und Henry, der König von England, kommt herein und sieht die beiden eng umschlungen: seine schwangere Frau und seinen besten Freund.
    Er lässt die Szene eine ganze Weile auf sich wirken. Langsam hebt der Herzog den Kopf, lässt Marguerite los, drückt ihre Schultern sanft aufs Bett, damit sie auf dem Kissen liegen bleibt, hebt ihre Füße an und streicht ihr das Kleid um die Knöchel glatt. Langsam wendet er sich zu ihrem Gemahl um. Er macht eine kleine Geste mit der Hand, doch er sagt nichts. Es gibt nichts zu sagen. Der König sieht von seiner Gemahlin, die auf einen Ellbogen gestützt auf ihrem Bett liegt, weiß wie ein Gespenst, zum Herzog neben ihr, dann blickt er mich an. Er wirkt verdutzt, wie ein verletztes Kind.
    Ich strecke die Hand nach ihm aus, als wäre er eines meiner Kinder, zutiefst erschüttert. «Schaut nicht hin», sage ich töricht. «Seht es nicht.»
    Er neigt den Kopf zur Seite, wie ein geschlagener Hund, als versuchte er mich zu hören.
    «Schaut nicht hin», wiederhole ich. «Seht es nicht.»
    Seltsamerweise kommt er zu mir und senkt sein blasses Gesicht. Ohne recht zu wissen, was ich da tue, hebe ich die Hände, und er nimmt eine nach der anderen und legt meine Handflächen über seine Augen, als wollte er sie verbinden. Einen Augenblick sind wir alle wie erstarrt: ich mit meinen Händen auf seinen Augen, der Herzog, der etwas sagen will, Marguerite, die in die Kissen zurückgefallen ist, eine Hand auf dem gewölbten Bauch. Dann drückt der König meine Hände fest gegen seine geschlossenen Augenlider und wiederholt meine Worte. «Schaut nicht hin. Seht es nicht.»
    Schließlich wendet er sich ab. Ohne ein weiteres Wort kehrt er uns den Rücken zu, verlässt den Raum und schließt leise hinter sich die Tür.

    An diesem Abend erscheint er nicht zum Essen. Der Königin wird das Mahl in ihren Privatgemächern aufgetragen, ein Dutzend Hofdamen und ich setzen uns zum Essen zu ihr, doch die Hälfte lassen wir unberührt zurückgehen. Edmund, Duke of Somerset, sitzt am Kopfende des Tisches in der großen Halle und erklärt den stillen Höflingen, dass er schlechte Nachrichten für sie hat: Wir haben unsere letzten Besitzungen in Frankreich

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