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Die Mutter der Königin (German Edition)

Die Mutter der Königin (German Edition)

Titel: Die Mutter der Königin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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schläft, wie die Ärzte sagen.»
    Langsam gehe ich zurück zur Königin. Wäre Richard doch bei mir, wäre ich doch zu Hause in Grafton. Ich habe schreckliche Angst, dass ich eine große Dummheit begangen habe. Ich bin voller Angst, abergläubischer Angst, als hätte ich etwas ganz Schreckliches getan. Hat meine Aufforderung, nichts zu sehen, den König blind gemacht? Ist er unbeabsichtigt Opfer meiner Kräfte geworden? Meine Großtante Jehanne hat mich immer gewarnt, vorsichtig zu sein, was ich mir wünsche, und gut über die Formulierung eines Segens oder eines Fluches nachzudenken. Und jetzt habe ich dem König von England gesagt: «Schaut nicht hin! Seht es nicht!», und er hält die Augen geschlossen und schaut nicht hin und sieht nichts.
    Ich schüttele den Kopf, um meine Furcht zu vertreiben. So etwas habe ich doch sicher schon ein Dutzend Male gesagt, und nichts ist geschehen. Warum sollte ich jetzt die Macht besitzen, den König von England erblinden zu lassen? Vielleicht ist er einfach nur sehr müde? Vielleicht hat er, wie die Ärzte glauben, einen Schock erlitten ob der Nachrichten aus Frankreich? Vielleicht ergeht es ihm wie einer Tante meiner Mutter, die erstarrte und still dalag, ganz wie der König jetzt, und nicht mehr sprach und sich nicht mehr rührte, bis sie Jahre später starb. Vielleicht jage ich mir nur selbst Angst ein, wenn ich denke, es könnte mein Befehl gewesen sein, der den König blind gemacht hat.
    Die Königin liegt in ihren Gemächern im Bett. Ich fürchte mich so sehr vor dem, was ich getan haben könnte, dass ich an der Schwelle zu ihrem abgedunkelten Zimmer zurückschrecke und flüstere: «Marguerite.» Sie hebt die Hand, sie kann sich rühren, sie ist nicht verzaubert. Eine ihrer jüngeren Hofdamen sitzt bei ihr, während sich die anderen im Raum davor aufhalten und sich flüsternd darüber austauschen, was für ein Schock das Ganze für die Königin war, ob Gefahr für das Kind besteht und ob es womöglich kein gutes Ende nimmt – wie Frauen es immer tun, wenn eine kurz vor der Niederkunft steht.
    «Genug», sage ich gereizt und schließe die Tür zum Schlafgemach der Königin, damit sie dieses ängstliche Gewisper nicht hört. «Wenn Ihr nichts Aufmunterndes zu sagen habt, dann schweigt. Und Ihr, Bessie, kein Wort will ich mehr hören über die Wehen Eurer Mutter im Kindbett. Ich bin elf Mal niedergekommen, habe zehn Kinder aufgezogen und niemals auch nur ein Viertel der Schmerzen ertragen wie die, von denen Ihr berichtet. Ja, keine Frau könnte ertragen, was Ihr beschreibt. Die Königin wird sicher so viel Glück haben wie ich.»
    Ich stapfe an ihnen vorbei in das Zimmer der Königin und schicke die kleine Zofe mit einer Handbewegung fort. Sie geht schweigend davon, und zuerst denke ich, die Königin schlafe, doch sie wendet den Kopf und sieht mich an, die dunklen Augen hohl vor Erschöpfung und Angst.
    «Ist der König heute Morgen aufgewacht?» Ihre Lippen sind an den Stellen aufgesprungen, wo sie daraufgebissen hat, und sie wirkt verstört vor Sorge.
    «Nein», sage ich. «Noch nicht. Doch sie haben ihn gewaschen, und er hat etwas zu sich genommen.»
    «Er sitzt und isst?»
    «Nein», sage ich unbehaglich. «Sie haben ihm geholfen.»
    «Geholfen?»
    «Es ihm eingeflößt.»
    Sie schweigt. «In gewisser Weise ist es ein Segen», meint sie. «Denn so sagt er nichts übereilt, im Zorn, unüberlegt. Das gibt uns Zeit nachzudenken. Ich grübele ununterbrochen. In gewisser Weise ist es ein Segen. Es gibt uns Zeit, uns … vorzubereiten.»
    «In gewisser Weise», pflichte ich ihr bei.
    «Was sagen die Ärzte?»
    «Sie sagen, dass er vielleicht morgen aufwacht.»
    «Und dann wird er wieder ganz er selbst sein? Und sich an alles erinnern?»
    «Vielleicht. Ich glaube nicht, dass sie es tatsächlich wissen.»
    «Was sollen wir tun?»
    «Ich weiß es nicht.»
    Sie setzt sich auf die Bettkante, die Hand auf dem Bauch, dann steht sie auf, um aus dem Fenster zu blicken. Unter ihr erstrecken sich die wunderschönen Gärten bis hinunter zum Fluss, wo ein Stakkahn einladend an einem Steg schaukelt und ein Reiher reglos und schweigend im Wasser steht. Sie seufzt.
    «Habt Ihr Schmerzen?», frage ich ängstlich.
    «Nein, nein, ich spüre nur, wie das Kind sich bewegt.»
    «Es ist äußerst wichtig, dass Ihr ruhig bleibt.»
    Sie lacht kurz auf. «Wir haben die Gascogne verloren, als Nächstes greifen die Franzosen gewiss Calais an, der König ist eingeschlafen und lässt sich nicht wecken,

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