Die Mutter der Königin (German Edition)
soll oder nicht. Er ist der Constable von England, er ist der Günstling unter den Lords des Landes, er hat den Kronrat unter sich, im Parlament sitzen die Männer, die er benannt hat. Er ist der Liebling des Königs und der Königin, und wir sind alle daran gewöhnt, ihm den Vortritt zu lassen. Normalerweise würde ich immer zuerst mit ihm sprechen.
Der erste Mann, der die Nachricht erhält, sollte natürlich der Vater sein: der König. Doch er ist weit fort, Gott segne ihn. Für eine Situation wie die heutige gibt es kein Protokoll, und ich weiß nicht, was von mir erwartet wird. Ich zögere einen Moment. Als die Gespräche ersterben und sich die Männer zu mir wenden und mich erwartungsvoll ansehen, sage ich einfach nur: «Mylords, ich bringe Euch eine freudige Botschaft. Die Königin hat einen schönen Jungen entbunden und ihn Edward genannt. Gott schütze den König.»
Ein paar Tage später – dem Neugeborenen geht es gut, und die Königin ruht sich aus – komme ich von einem Spaziergang in den Palastgärten zurück. Vor den Gemächern der Königin zögere ich, denn vor der verschlossenen Tür stehen ein Junge und zwei Wachen mit der weißen Rose des Hauses York an der Livree. Ich weiß augenblicklich, dass das nichts Gutes verheißt, öffne die Tür und gehe hinein.
Die Königin sitzt auf einem Stuhl am Fenster, vor ihr steht die Gemahlin von Richard of York. Marguerite hat ihr keinen Stuhl angeboten, und die Farbe auf Cecily Nevilles Wangen verrät mir, dass sie den Affront sehr wohl bemerkt. Als ich hereinkomme, wendet sie sich mir zu und sagt: «Ihre Gnaden, die Herzoginwitwe, wird gewiss bestätigen, was ich sage.»
Ich knickse leicht. «Einen guten Tag wünsche ich Euch, Euer Gnaden», sage ich höflich und stelle mich an die Seite der Königin, die Hand auf der Lehne ihres Stuhls. Cecily soll keinen Zweifel daran haben, auf wessen Seite ich stehe. Warum auch immer sie hier ist, was auch immer sie von mir bestätigt haben möchte.
«Ihre Gnaden bittet mich, mich dafür einzusetzen, dass ihr Gemahl zu allen Sitzungen des Kronrats geladen wird», sagt die Königin müde.
Cecily nickt. «So sollte es ein. Seine Familie wurde immer eingeladen. Der König hat es versprochen.»
Ich warte.
«Ich habe Ihrer Gnaden erläutert, dass ich mich zur Niederkunft zurückgezogen habe und nicht an der Herrschaft des Landes teilhabe», entgegnet die Königin.
«Ihr solltet eigentlich gar keinen Besuch empfangen», bemerke ich.
«Es tut mir leid, dass ich gekommen bin, aber wie sonst soll der Stellung meines Gemahls Rechnung getragen werden?», widerspricht die Herzogin verstockt. «Der König empfängt niemanden, er hält nicht einmal Hof. Und der Duke of Somerset ist kein Freund meines Mannes.» Sie wendet sich wieder an die Königin. «Ihr erweist Eurem Land einen schlechten Dienst, wenn Ihr ihn nicht einbezieht», fährt sie fort. «Er ist der einflussreichste Mann im Königreich, und seine Treue zum König steht außer Frage. Er ist der nächste Cousin des Königs und sein Erbe. Warum wird er nicht zum Kronrat geladen? Wie kann man sich auf Regierungsgeschäfte einigen, ohne seine Meinung zu hören? Ihr ruft ihn kurzerhand herbei, wenn Ihr Geld oder Waffen braucht, also sollte er auch dabei sein, wenn die Entscheidungen fallen.»
Die Königin zuckt die Achseln. «Ich schreibe dem Duke of Somerset», bietet sie an. «Aber soweit ich weiß, geschieht zurzeit nicht viel. Der König hat sich zum Beten zurückgezogen, und ich befinde mich im zeremoniellen Rückzug. Vermutlich trifft der Herzog die alltäglichen Entscheidungen mit der Hilfe einiger Ratgeber, so gut er kann.»
«Mein Gemahl sollte einer dieser Ratgeber sein», beharrt die Herzogin.
Ich trete vor und deute auf die Tür. «Ich bin sicher, die Königin weiß es zu schätzen, dass Ihr ihr die Angelegenheit vorgetragen habt», sage ich. Widerwillig lässt sich die Herzogin wegführen. «Und da Ihre Gnaden zugesagt hat, dem Herzog eine Notiz zukommen zu lassen, bin ich sicher, dass Euer Gemahl eine Einladung zum Kronrat bekommen wird.»
«Er muss zugegen sein, wenn dem König das Kind vorgestellt wird.»
Ich erstarre ob dieser Worte und tausche einen entgeisterten Blick mit der Königin. «Vergebt mir», sage ich, als Marguerite stumm bleibt. «Wie Ihr wisst, bin ich nicht an einem englischen Hof erzogen worden. Und dies ist das erste Mal, dass ich der Geburt eines Prinzen beiwohne.» Ich lächele, aber sie, die gebürtige Engländerin, lächelt
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