Die Mutter der Königin (German Edition)
Abgeschiedenheit, und die täglichen Berichte aus Windsor Castle verschlimmern dies natürlich. Sie peinigen den König mit dauernd wechselnden Heilmitteln. Es ist die Rede vom Aderlass seiner kühlen Flüssigkeiten und dem Erhitzen seiner lebensnotwendigen Organe, und ich weiß, dass sie ihn schröpfen, um ihm Blut zu entziehen, und ihn ansengen, wie er dort liegt, still wie Christus am Kreuz, der seiner Auferstehung harrt. In manchen Nächten erhebe ich mich vom kleinen Bett im Gemach der Königin und hebe einen Zipfel des dicken Stoffes vor dem Fenster an, um den Mond zu sehen, den großen warmen Erntemond, der Erde so nah, dass ich jede Falte und jeden Krater auf seinem Antlitz erkennen kann. Ich frage ihn: «Habe ich den König verhext? Habe ich ihn verwünscht? In dem Moment des Schreckens, als ich ihm geraten habe, nichts zu sehen, habe ich ihn da in Wirklichkeit blind gemacht? Kann so etwas geschehen? Kann es sein, dass ich solche magischen Kräfte besitze? Und wenn ich es gewesen bin, wie kann ich meine Worte zurücknehmen und ihn heilen?»
Mit diesen Sorgen bin ich ganz allein. Selbstverständlich kann ich sie nicht mit der Königin teilen, die unter ihrer eigenen Schuld und ihren eigenen Ängsten leidet. Ich traue mich auch nicht, Richard davon zu schreiben; solche Gedanken sollte ich gar nicht haben und erst recht nicht zu Papier bringen. Außerdem bin ich es mehr als leid, in diesen düsteren Räumen gefangen zu sein: Die Zeit des Rückzugs der Königin ist für uns alle lang und sorgenerfüllt. Dabei sollte dies doch der glücklichste Herbst ihres Lebens sein, in dem sie endlich ein Kind erwartet. Aber die Sorgen um den König sind groß, und einige Hofdamen flüstern schon, das Kind werde gewiss tot zur Welt kommen.
Als ich das höre, gehe ich hinunter zum Fluss, setze mich im Licht der späten Abendsonne an den Steg und blicke auf das schnell zum Meer dahinfließende Wasser. Ich flüstere Melusine zu, falls ich je ein Wort gesagt hätte, um mir einen blinden König zu wünschen, so würde ich dieses Wort jetzt zurücknehmen. Hätte ich je gefleht, er sollte nichts sehen können, so leugne ich diesen Gedanken jetzt und wünsche mir von ganzem Herzen, dass das Kind der Königin gesund und munter zur Welt kommt und ein langes, glückliches Leben hat.
Langsam gehe ich zum Palast zurück, unsicher, ob der Fluss meine Worte gehört hat, ob er überhaupt irgendetwas ausrichten kann, oder ob der Mond versteht, wie verlassen sich eine einsame Frau fühlen kann, weit fort von ihrem Gemahl, in einer Welt voller Gefahren.
In den Gemächern herrscht leise Geschäftigkeit. «Die Fruchtblase ist geplatzt», flüstert mir eine Magd zu, als sie mit Leinentüchern an mir vorbeirennt.
Ich haste ins Schlafgemach. Die Hebammen sind bereits da, die Kinderfrauen legen weitere saubere Laken in die Wiege, dazu eine unglaublich weiche Decke, die erste Kammerfrau erhitzt das eigens für diesen Anlass gebraute Bier und schmeckt es ab, und die Königin selbst steht vornübergebeugt am Fuße des Geburtsbettes und hält sich am Bettpfosten fest, Schweißtropfen auf ihrem blassen Gesicht, und beißt sich auf die Unterlippe. Ich gehe zu ihr. «Der Schmerz geht vorbei», sage ich. «Von einem Augenblick zum nächsten, er kommt und geht. Ihr müsst tapfer sein.»
«Ich bin tapfer», fährt sie wütend auf. «Niemand soll es wagen, das Gegenteil zu behaupten.»
Ich erkenne die Gereiztheit der Gebärenden und wische ihr behutsam mit einem in Lavendelwasser getränkten Lappen das Gesicht ab. Sie seufzt, als die Wehe abebbt, und bereitet sich auf die nächste Welle vor. Es dauert, bevor sie kommt. Ich werfe der Hebamme einen Blick zu. «Es wird noch eine Weile dauern», sagt sie erfahren. «Wir können alle erst mal einen Krug Bier trinken und uns setzen.»
Tatsächlich braucht sie lange – die ganze Nacht –, aber am nächsten Tag, am Tag des heiligen Edward, bringt sie einen Sohn zur Welt, einen kostbaren Lancaster-Jungen, und Sicherheit und Erbfolge in England sind wiederhergestellt.
Ich gehe hinaus in das Audienzzimmer, wo sich die Lords von England versammelt haben und auf Nachrichten warten. Unter ihnen auch Edmund Beaufort, doch er steht nicht vorne wie sonst, er beherrscht den Raum nicht, sondern hält sich von der Tür zum Schlafgemach fern, steht abseits, einer unter vielen. Einmal in seinem Leben behauptet er nicht stolz seinen Platz, und daher zögere ich, denn ich weiß nicht, ob ich zu ihm gehen und es ihm sagen
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