Die Mutter der Königin (German Edition)
ergreifen Yorks Wachen Edmund Beaufort, den Duke of Somerset, und marschieren mit ihm aus dem Raum. Er wirft mir einen wutentbrannten Blick zu, aber er ist so schnell an mir vorbei, dass ich weder etwas sagen noch in Erfahrung bringen kann, wohin sie ihn bringen. Die Königin fliegt hinter ihm her, aber ich fange sie auf und halte sie fest. Sie bricht in Tränen aus.
«Verrat! Verrat!»
«Was geht hier vor?»
«Der Duke of Somerset wird des Verrats angeklagt», erklärt mir einer der Lords und entfernt sich eilends aus den Gemächern der Königin. «Sie bringen ihn in den Tower. Er wird einen ehrlichen Prozess bekommen, die Königin soll sich seinetwegen keine Sorgen machen.»
«Verrat!», schreit sie. «Ihr seid Verräter, Ihr, die Ihr danebensteht, wenn der Teufel aus York ihn ergreift!»
Ich helfe ihr durch das Audienzzimmer und das Privatgemach in ihr Schlafzimmer. Sie wirft sich aufs Bett und bricht in Tränen aus. «Das war Richard of York», schluchzt sie. «Er hat den Rat gegen Edmund aufgehetzt. Er will ihn vernichten, er ist immer sein Feind gewesen. Und dann wendet er sich gegen mich. Er will herrschen. Ich weiß es genau.»
Sie erhebt sich. Die Zöpfe haben sich gelöst, ihre Augen sind rot vor Wut und Tränen. «Jacquetta, hört auf meine Worte. Er ist mein Feind, und ich muss ihn vernichten. Ich befreie Edmund aus dem Tower und setze meinen Sohn auf den Thron von England. Und weder der Duke of York noch sonst jemand wird mich daran hindern.»
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Westminster Palace, London
FRÜHJAHR 1454
W eihnachten kommt und geht. Richard trifft mit dem Schiff aus Calais und verbringt nur die zwölf Festtage mit mir am stillen Hof, dann muss er zurückkehren. Die Garnison steht kurz vor der Meuterei, und jederzeit kann ein Angriff von außen erfolgen. Die Männer wissen nicht mehr, wer sie befehligt, und sie haben Angst vor den Franzosen. Richard muss die Garnison für Edmund Beaufort und für England halten, gegen innere und äußere Feinde. Wieder einmal stehen wir auf dem Kai, wieder klammere ich mich an ihn. «Ich will mitkommen», sage ich verzweifelt. «Wir hatten das doch schon beschlossen.»
«Geliebte, du weißt, dass ich dich niemals in eine belagerte Stadt mitnehmen würde, und Gott allein kann sagen, was als Nächstes geschieht.»
«Wann kommst du nach Hause?»
Er zuckt entmutigt die Achseln. «Ich muss das Kommando so lange führen, bis mich jemand ablöst, und das haben weder der König noch der Herzog vor. Wenn Richard, Duke of York, die Macht ergreift, muss ich Calais gegen ihn halten, genau wie gegen die Franzosen. Ich halte Calais für Edmund Beaufort. Er hat mir die Befehlsgewalt übergeben, ich kann sie nur ihm zurückgeben. Ich muss zurück, meine Liebe. Aber du weißt doch genau, dass ich bald zu dir heimkehre.»
«Ich wünschte, wir wären nur einfache Gutsbesitzer in Grafton», sage ich unglücklich.
«Das wünsche ich mir auch», pflichtet er mir bei. «Gib den Kindern einen Kuss von mir und sag ihnen, sie sollen artig sein. Sag ihnen, sie sollen ihre Pflichten erfüllen wie ich die meinen.»
«Ach, wärst du doch bloß nicht so pflichtbewusst», seufze ich verdrießlich.
Er küsst mich, bis ich still bin. «Wenn wir doch nur noch eine Nacht miteinander hätten», flüstert er mir ins Ohr, dann löst er sich von mir und geht über die Laufplanke hinauf auf sein Schiff.
Ich warte am Kai, bis er an die Reling tritt, und werfe ihm auf meiner kalten Hand einen Kuss zu. «Komm bald wieder», rufe ich. «Pass auf dich auf.»
«Ich komme immer zu dir zurück», ruft er zurück. «Das weißt du. Bald bin ich wieder bei dir.»
Die dunklen Nächte werden kürzer, aber der König erholt sich nicht. Alchemisten sagen voraus, der Sonnenschein werde ihn wieder zum Leben erwecken, als wäre er ein Samen in der dunklen Erde, und sie fahren ihn jeden Morgen an ein Ostfenster und setzen ihn der schwachen Wintersonne aus. Doch nichts weckt ihn auf.
Edmund Beaufort, Duke of Somerset, wird nicht aus dem Tower entlassen, aber er wird auch nicht angeklagt. Richard, Duke of York, hat genug Macht über den Kronrat, um ihn zur Verhaftung des Herzogs zu bewegen, aber nicht genug, um ihn davon zu überzeugen, ihn wegen Hochverrats vor Gericht zu stellen.
«Ich gehe ihn besuchen», erklärt die Königin.
«Euer Gnaden, die Leute werden reden», warne ich sie. «Sie sagen schon jetzt Dinge über Euch, deren Wiederholung sich verbietet.»
Sie hebt eine Augenbraue.
«Deswegen
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