Die Mutter der Königin (German Edition)
sie die lange Liste überhaupt versteht. Sie unterzeichnet das Geständnis – sie schreibt ihren Namen und daneben ein Kreuz, als wollte sie ihre Unterschrift leugnen. Sie gibt zu, dass es keine Engel und keine Stimmen gegeben hat und dass der Dauphin nur der Dauphin ist und nicht der König von Frankreich, dass seine Krönung ein Schwindel war, so wie ihre schöne Rüstung eine Beleidigung Gottes und der Menschen und dass sie nur ein Mädchen ist, ein dummes Mädchen, das versucht hat, erwachsene Männer anzuführen, als würde es den Weg besser kennen als diese. Sie sagt, sie sei eine eitle Närrin zu glauben, ein Mädchen könnte Männer anführen, sie sei schlimmer als Eva, weil sie Rat geben wollte, eine Helferin des Teufels selbst.
«Was?», brüllt der Duke of Bedford. Wir besuchen seine Gemahlin, die Herzogin, und sitzen in ihrem Gemach am Feuer, in einer Ecke schlägt ein Musikant die Laute, kleine Gläser mit bestem Wein stehen auf jedem Tisch, alles ist elegant und geschmackvoll, aber sein erbärmliches englisches Gebrüll hören wir durch zwei geschlossene Türen.
Türen knallen, als der Earl of Warwick aus den Gemächern des Herzogs stürmt, um herauszufinden, was schiefgelaufen ist, und dieser aufschlussreiche Wutanfall verrät uns – als hätten wir je daran gezweifelt –, dass die Engländer nie wollten, dass die Kirche mit der Seele eines irregeleiteten Mädchens ringt und es zu Verstand bringt, dass sie Johanna nie zur Beichte bewegen wollten, damit sie büßt und ihr vergeben wird, sondern dass die ganze Sache von Anfang an abgekartet war. Es war von Anfang an eine Hexenjagd, ein Scheiterhaufen, der nach einem Opfer giert, der Tod, der auf eine Jungfrau wartet. Die Herzogin geht zur Tür, die Diener reißen sie vor ihr auf, und jetzt hören wir mit erschreckender Klarheit, wie ihr Gemahl den Bischof Pierre Cauchon anbrüllt, den Richter, den Mann, der hier offensichtlich alle zugleich vertritt: Gott, die Justiz und die Kirche.
«Um Himmels willen! Ich will nicht, dass sie sich schuldig bekennt, ich will nicht, dass sie widerruft, dass man ihr die Beichte abnimmt, ich will nicht, dass sie ein Leben lang eingesperrt bleibt, verdammt! Was für eine Sicherheit soll mir das geben? Ich will sie als einen Haufen Asche sehen, der vom Wind weggeblasen wird. Muss ich mich noch klarer ausdrücken? Verdammt! Muss ich sie eigenhändig anzünden? Ihr habt gesagt, die Kirche würde das für mich übernehmen! So tut es auch!»
Die Herzogin weicht rasch zurück und gibt Zeichen, die Türen zu schließen, aber immer noch können wir den Herrscher hören, wie er aus Leibeskräften flucht und seine Seele verwünscht. Die Herzogin zuckt die Achseln – Männer sind Männer, und jetzt ist Krieg –, und meine Tante lächelt verständnisvoll, der Lautenspieler singt lauter. Ich gehe zum Fenster und sehe hinaus.
Auf dem Marktplatz steht ein halbfertiger Scheiterhaufen, ein massives Machwerk mit einem großen Pfosten in der Mitte, um den das Holz aufgeschichtet ist. Johanna hat gebeichtet und widerrufen, sie ist für schuldig befunden und zum Kerker verurteilt worden.
Aber sie nehmen das Holz nicht weg.
Meine Tante nickt mir zu, dass wir gehen sollen, und ich gehe vor in die Halle, aber sie wird noch in den Gemächern der Herzogin aufgehalten und verabschiedet sich umständlich. Ich habe mir die Kapuze über den Kopf gezogen, die Hände unter meinem Umhang verborgen. Für Mai ist es kalt. Ich frage mich, ob Johanna in ihrer Zelle Decken hat, da öffnen sich die großen Türen zu den Audienzräumen, und der Herzog kommt herausgestürmt.
Ich sinke in einen tiefen Knicks und meine, dass er mich kaum sehen wird, eingehüllt in meinen dunklen Umhang im Schatten der Tür. Gewiss wird er vorbeifegen, doch er bleibt stehen. «Jacquetta? Jacquetta St. Pol?»
Ich sinke noch tiefer. «Ja, Euer Gnaden.»
Mit festem Griff zieht er mich am Ellbogen hoch. Mit der anderen Hand schiebt er meine Kapuze zurück und wendet mein Gesicht zum Licht der offenen Tür, die Hand unter meinem Kinn, als wäre ich ein Kind und er müsste prüfen, ob mein Mund sauber ist. Seine Männer warten, aber er benimmt sich, als wären wir beide allein. Er starrt mich unverwandt an, als wollte er aus mir schlau werden. Ausdruckslos erwidere ich seinen Blick, ich weiß nicht, was er von mir will, und meine Tante wird mir zürnen, wenn ich etwas Falsches zu diesem wichtigen Mann sage. Also beiße ich mir auf die Unterlippe und höre, wie er die Luft
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