Die Mutter der Königin (German Edition)
weiß das schon bei diesem wilden Grenzland? Die Königin schmiedet Ränke, dessen bin ich mir sicher. Eines Tages fragt sie mich, ob ich an Richard schreiben würde, und ich gebe zurück, dass ich es oft tue und meine Briefe den Wollhändlern mitgebe, die die geschorene Wolle nach Calais bringen. Sie fragt mich, ob die Schiffe leer zurückkämen oder ob sie Männer transportierten und wenn ja, wie viele, und ob sie so beladen den Fluss hinauf zum Tower segeln könnten.
«Ihr glaubt, sie könnten aus Calais kommen und den Duke of Somerset aus dem Tower befreien?», frage ich sie frei heraus. «Das hieße, Ihr wollt meinen Gemahl bitten, eine Invasion gegen den Regenten und Lord Protector von England anzuführen.»
«Nur zur Verteidigung des Königs», erwidert sie. «Das kann doch gewiss niemand Verrat nennen?»
«Ich weiß nicht», sage ich kläglich. «Ich weiß nicht mehr, was Verrat ist.»
Aus dem Plan wird nichts, denn uns erreicht die Kunde von einem Aufstand in Calais. Die Soldaten haben keinen Sold mehr erhalten. Sie sperren die Offiziere in die Baracken ein, überfallen die Stadt, verkaufen die Handelsgüter und behalten das Geld statt des ausstehenden Solds. Wir hören Berichte über Plünderungen und Zerstörung. Die Königin kommt zu mir in den Stallhof von Windsor Castle, als ich gerade Anweisungen gebe, mein Pferd zu satteln, weil ich mit einer Wache nach London reiten will. «Ich muss wissen, was vor sich geht», sage ich zu ihr. «Er könnte in großer Gefahr sein, ich muss es wissen.»
«Er ist bestimmt nicht in Gefahr», versichert sie mir. «Seine Männer lieben ihn. Sie haben ihn vielleicht in seinem Quartier eingeschlossen, um die Wolllager zu plündern, aber sie werden ihm nichts tun. Ihr wisst doch, wie sehr sie ihn lieben. Ihn und Lord Welles, alle beide. Die Männer werden sie freilassen, wenn sie ihren Sold zusammengestohlen und die Stadt leer getrunken haben.»
Sie führen mein Pferd vor, und ich klettere mit meinem dicken Bauch schwerfällig auf den Aufsitzblock und von dort in den Sattel. «Es tut mir leid, Euer Gnaden, aber ich ertrage die Ungewissheit nicht. Ich komme zu Euch zurück, sobald ich weiß, dass er in Sicherheit ist.»
Sie hebt die Hand. «Ja, aber kommt zurück», sagt sie. «Es ist so entsetzlich einsam hier. Ich wünschte, ich könnte die Tage verschlafen wie Henry. Ich wünschte, ich könnte die Augen schließen und für immer schlafen.»
Ich weiß kaum, wie ich in London an Nachrichten kommen soll. Mein Haus ist verschlossen, abgesehen von ein paar Wachen ist niemand da, das Parlament tagt nicht, und der Duke of York ist nicht mein Freund. Schließlich gehe ich zur Gemahlin von Lord Welles, der in Calais zusammen mit Richard das Kommando führt. Mein Diener kündigt mich an, und ich gehe in ihr privates Wohngemach.
«Ich errate, warum Ihr gekommen seid», sagt sie, erhebt sich und küsst mich förmlich auf die Wangen. «Wie geht es Ihrer Gnaden, der Königin?»
«Sie ist gesund, vielen Dank.»
«Und dem König?»
«Gott schütze ihn, es geht ihm nicht besser.»
Sie nickt, setzt sich und bedeutet mir, neben ihr Platz zu nehmen. Ihre beiden Töchter bieten mir Wein und Gebäck an, dann ziehen sie sich zurück, so wie es gut erzogenen Mädchen ansteht, damit die Erwachsenen ungestört sprechen können.
«Charmante Mädchen», bemerke ich.
Sie nickt. Sie weiß, dass ich Söhne habe, die gute Partien machen müssen.
«Die Älteste ist verlobt», erzählt sie.
«Dann wünsche ich ihr viel Glück», sage ich lächelnd. «Ich bin zu Euch gekommen, um Neues von meinem Gemahl zu erfahren. Ich habe nichts gehört. Habt Ihr Nachrichten aus Calais?»
Sie schüttelt den Kopf. «Es tut mir leid, aber man findet einfach nichts heraus. Auf dem letzten Schiff, das den Hafen verlassen hat, sprach man von einem Aufstand, die Soldaten hätten auf ihrer Bezahlung bestanden. Sie haben das Wolllager gestürmt und die Ware selbst verkauft. Sie haben die Schiffe im Hafen festgehalten. Seither verfrachten die Kaufleute nichts mehr nach Calais, sie haben Angst, ihre Waren zu verlieren. Und so weiß ich leider auch nichts.»
«Haben sie gesagt, was Euer Mann oder der meine getan haben?», frage ich. Ich habe große Angst, dass Richard nicht einfach danebengesessen und zugesehen hat, wie seine Männer das Gesetz selbst in die Hand nehmen.
«Ich weiß, dass sie beide leben», berichtet sie. «Jedenfalls noch vor drei Wochen. Und dass Euer Gemahl die Männer gewarnt und ihnen
Weitere Kostenlose Bücher