Die Mutter der Königin (German Edition)
wiederhole ich sie auch nicht», sage ich.
«Ich weiß, was sie reden», fährt sie trotzig auf. «Sie behaupten, er sei mein Liebhaber und der Prinz sei sein Sohn. Und deswegen habe mein Gemahl, der König, ihn nicht anerkannt.»
«Grund genug, ihn nicht zu besuchen», erkläre ich.
«Ich muss ihn sehen.»
«Euer Gnaden …»
«Jacquetta, ich muss.»
Ich begleite sie und nehme zwei weitere Hofdamen mit. Sie warten draußen, während ich mit der Königin in seine Gemächer gehe – er hat einen Raum für den Tag und einen für die Nacht. Mit den Steinmauern und Schießscharten sind die Zimmer annehmbar, sie liegen in der Nähe der königlichen Gemächer im White Tower, er wird wahrhaftig nicht in einem Verlies gehalten. Er hat einen Tisch, einen Stuhl und ein paar Bücher, aber er ist blass, weil er nicht hinausdarf, und er wirkt mager. Als er die Königin sieht, strahlt er und kniet vor ihr nieder. Sie eilt zu ihm, und er küsst leidenschaftlich ihre Hände. Der Konstabler des Towers steht taktvoll abgewendet an der Tür. Ich blicke hinaus auf den grauen, kalten Fluss. Hinter mir höre ich den Herzog aufstehen und spüre, dass er sich so weit im Griff hat, sie nicht anzufassen.
«Wollt Ihr Euch setzen, Euer Gnaden?», fragt er leise und zieht ihr den Stuhl ans Feuer.
«Setzt Euch neben mich», fordert sie ihn auf. Als ich mich umdrehe, sehe ich, dass er einen kleinen Schemel so dicht an sie herangezogen hat, dass sie sich flüsternd unterhalten können.
Sie halten einander an den Händen, sein Mund an ihrem Ohr, sie sind einander ganz zugewandt – und das geht eine halbe Stunde so. Doch als die Uhr drei schlägt, trete ich vor und knickse. «Euer Gnaden, wir müssen gehen», sage ich.
Einen Moment lang habe ich Angst, sie würde sich an ihn klammern, aber sie steckt die Hände in ihre ausladenden Ärmel, streicht wie zum Trost über den Hermelinbesatz und erhebt sich. «Ich komme wieder», verspricht sie. «Ich werde tun, was Ihr vorgeschlagen habt. Wir haben keine andere Wahl.»
«Ihr kennt die Namen der Männer, die Euch dienen. Es muss sein.»
Sie nickt, dann sieht sie ihn noch einmal sehnsüchtig an, als wünschte sie sich mehr als alles andere, von ihm berührt zu werden, als könnte sie es nicht ertragen, ihn zu verlassen. Schließlich geht sie eilig mit gesenktem Kopf aus dem Raum.
«Was muss sein?», frage ich, sobald wir auf den Steintreppen sind, die zum Wassertor führen. Wir sind in einer Barkasse ohne Flaggen und Standarten gekommen, denn es sollen möglichst wenig Menschen erfahren, dass die Königin den Mann besucht, den man des Hochverrats bezichtigt und als ihren Liebhaber bezeichnet.
Sie strahlt vor Aufregung. «Das Parlament soll mich zur Regentin ernennen», sagt sie. «Edmund meint, die Lords werden mich unterstützen.»
«Zur Regentin? Kann eine Frau in England Regentin sein? Euer Gnaden, wir sind hier nicht in Anjou. Ich glaube nicht, dass eine Frau bei uns das kann. Dass eine Frau über England herrschen kann.»
Sie eilt mir voraus die Treppen hinunter und steigt in die Barkasse. «Es gibt kein Gesetz dagegen», antwortet sie. «Meint Edmund. Es ist nur Tradition. Wenn die Lords mich unterstützen, berufen wir das Parlament ein und erklären ihm, dass ich als Regentin diene, bis es dem König wieder gut geht oder – falls er nicht mehr aufwacht – bis mein Sohn alt genug ist, um König zu werden.»
«Falls er nicht mehr aufwacht?», wiederhole ich voller Entsetzen. «Der Herzog macht Pläne für den Fall, dass der König nicht mehr aufwacht?»
«Wie sollen wir es wissen?», fragt sie. «Wir können nicht untätig bleiben! Seid gewiss: Richard of York wird auch nicht untätig bleiben!»
«Falls er nicht mehr aufwacht?»
Sie setzt sich ins Heck der Barkasse, die Hand ungeduldig am Vorhang. «Kommt, Jacquetta. Ich will zurück. Ich will den Lords schreiben und ihnen meine Bedingungen darlegen.»
Ich eile an ihre Seite und setze mich. Die Ruderer stoßen das Boot ab und steuern die Barkasse hinaus auf den Fluss. Den ganzen Weg zum Palast blinzele ich gegen die Sonne an. Ich versuche, drei Sonnen zu sehen, und frage mich, was sie zu bedeuten haben.
Die Forderung der Königin, Regentin von England zu werden und für die Dauer der Krankheit des Königs über das Land zu herrschen – und zwar mit seiner Befehlsgewalt und seinem Vermögen –, löst nicht das Dilemma, wie Edmund Beaufort und sie zuversichtlich erwartet haben. Stattdessen gibt es einen Aufstand. Die
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