Die Mutter der Königin (German Edition)
und Euch um Euren Gemahl kümmern», sagt er. Der arme Irre denkt, er müsse auf ihre Frage antworten. Aber schnell wird ihm klar, dass er besser den Mund gehalten hätte.
Sie erstarrt. Aus Feuer wird Eis. Sie sieht ihn an, und ihre Augen blitzen vor Wut. «Ich habe dich nicht richtig verstanden. Was hast du gesagt? Was hast du dir erlaubt zu sagen?»
Er schluckt. «Euer Gnaden, ich habe versucht, Euch nahezulegen, dass der Lord Pro…»
«Der was?»
«Der Lord Protector befiehlt …»
«Was?»
«Befiehlt …»
Zwei schnelle Schritte, und sie baut sich vor ihm auf, ragt mit ihrem hohen Kopfschmuck weit über ihm auf und bohrt den Blick in sein Gesicht. «Befiehlt mir?», fragt sie.
Er schüttelt den Kopf und kniet vor ihr nieder. «Befiehlt, dass Euer Haushalt nach Windsor Castle übersiedelt», murmelt er zu den Binsen unter seinen Knien. «Und dass Ihr dort bleibt, bei Eurem Gemahl und Eurem Kind, und keinen Anteil habt am Regierungsgeschäft, denn das übernehmen der Lord Protector, die Lords und das Parlament.»
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Windsor Castle
SOMMER 1454
S ie geht nach Windsor. Sie ist außer sich vor Wut, sie tobt in ihren königlichen Gemächern, sie rast wie eine Irre, aber sie geht. Denn sie kann gar nicht anders, sie muss gehen. Der Duke of York, dessen Gemahlin Cecily einst bei der Königin zu Kreuze gekrochen ist, um einen Sitz für ihn im Rat zu erbitten, steigt auf dem Rad des Schicksals nach oben. Der Rat hält ihn für den Einzigen, der im Königreich wieder für Ordnung sorgen und verhindern kann, dass bei jedem Streit in den Grafschaften Dutzende von Scharmützeln ausbrechen, für den Einzigen, der Calais retten kann und dem man vertrauen kann, das Königreich zu bewahren, bis unser schlafender König uns wiedergegeben wird. Als glaubten sie, das Land sei verflucht und der Duke of York sei der Einzige, der das Schwert blankziehen und sich vor dem Tor dem unsichtbaren Feind stellen kann, der Einzige, der die Stellung halten kann, bis der König erwacht.
Die Königin, die König werden wollte, ist zur Gemahlin degradiert worden, man hat sie zur Seite geschoben. Sie tut, wozu sie aufgefordert wird, und sie zahlen die Kosten ihres Haushaltes, verringern die Zahl ihrer Pferde und verbannen sie aus London. Sie darf nur auf Einladung zurückkehren. Sie behandeln sie wie eine gewöhnliche Frau, eine Frau ohne Bedeutung, sie erniedrigen sie zur Pflegerin ihres Gemahls und zum Vormund ihres Sohnes.
Edmund Beaufort ist im Tower gefangen, er kann ihr nicht helfen. Und sie kann ihn nicht mehr verteidigen, ihr Schutz ist nichts mehr wert. Wer zweifelt noch daran, dass er vor Gericht gestellt und enthauptet wird? Diejenigen Lords, die sie als Königin geliebt haben, wagen es nicht, sie sich als Regentin vorzustellen. Zwar verwalten ihre eigenen Gemahlinnen zu Hause die Ländereien, wenn sie fort sind, doch sie verleihen ihnen dafür keine Titel und zahlen ihnen keinen Lohn. Die Vorstellung von mächtigen Frauen, von Anführerinnen, ist ihnen zuwider. Sie erkennen Fähigkeiten von Frauen nicht an, nein, sie reden sie klein. Eine kluge Frau gibt vor, nur ihren Haushalt zu führen. Obwohl sie ein großes Gut leitet, schreibt sie ihrem Gatten und fragt ihn um Rat, wenn er fort ist, und wenn er zurückkehrt, händigt sie ihm die Schlüssel aus. Die Königin hat den Fehler begangen, Macht und Titel zu beanspruchen, und die Lords ertragen den Gedanken nicht, dass eine Frau regieren könnte. Sie wollen sie lieber ins Wöchnerinnen-Zimmer zurückschicken. Als habe der König, ihr Gemahl, sie durch seinen Schlaf freigesetzt, frei, das Königreich zu regieren, und als sei es die Pflicht aller anderen großen Männer, sie ihm zurückzugeben. Wenn sie dafür sorgen könnten, dass die Königin in denselben Schlaf fällt, würden sie es gewiss tun.
Die Königin ist nach Windsor verbannt, und Richard ist in Calais gefangen. Ich lebe als ihre Hofdame, aber in Wahrheit warten wir alle. Jeden Tag geht Marguerite zum König, aber er sieht und hört sie nie. Sie befiehlt den Ärzten, freundlich zu ihm zu sein, aber manchmal geht ihr eigenes Temperament mit ihr durch, und sie flucht und schreit ihm Beschimpfungen in die tauben Ohren.
Ich lebe bei der Königin und sehne mich nach Richard, und die ganze Zeit über ist mir bewusst, dass es in den Straßen Londons und des Landes gefährlich ist und es Gerüchte gibt, der Norden habe sich gegen den Duke of York erhoben – oder für seine eigenen Interessen, wer
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