Die Mutter der Königin (German Edition)
gesagt hat, was sie täten, sei gemeiner Diebstahl. Da haben sie ihn kurzerhand in eine Zelle geworfen.» Sie sieht mir den Schrecken an und legt ihre Hand auf die meine. «Wirklich, sie haben ihm nichts getan, sie haben ihn nur eingeschlossen. Ihr müsst tapfer sein, meine Liebe.»
Ich schlucke die Tränen herunter. «Es ist schon so lange her, seit wir zusammen zu Hause waren», sage ich. «Er musste einen schweren Dienst nach dem nächsten absolvieren.»
«Wir sind alle verloren unter der Herrschaft eines schlafenden Königs», meint sie behutsam. «Die Pächter meiner Ländereien sagen, nichts würde wachsen. In einem Königreich, in dem der König selbst brachliegt wie ein Feld, kann nichts je gedeihen. Geht Ihr wieder zurück an den Hof?»
Ich seufze. «Ich muss», sage ich nur. «Die Königin hat es befohlen, und der König sagt nichts.»
Im August gehe ich nach Grafton, um meine Kinder zu besuchen. Den Älteren, Anne, Anthony und Mary, versuche ich zu erklären, dass es dem König gut geht, aber dass er schläft, dass die Königin nichts Schlimmes getan hat, aber mit ihm eingeschlossen worden ist, dass der Befehlshaber ihres Vaters, Edmund Beaufort, im Tower ist, angeklagt, aber nicht vor Gericht gestellt. Und ich erkläre ihnen mit zusammengebissenen Zähnen, dass ihr Vater die Befehlsgewalt über die Festung von Calais innehat, aber von seinen eigenen Soldaten eingekerkert wurde, und dass der Oberbefehlshaber von Calais jetzt Richard, Duke of York, heißt, und ihr Vater sich früher oder später ihm gegenüber verantworten muss.
«Sicherlich wird doch der Duke of York Calais halten wollen, so wie der Duke of Somerset es getan hat?», vermutet Anthony. «Vater wird es nicht gefallen, wenn ihm ein neuer Oberbefehlshaber vorgesetzt wird, aber niemand kann doch daran zweifeln, dass der Duke of York Geld schicken wird, mit dem man die Soldaten und die Waffen für die Festung bezahlen kann, oder?»
Ich weiß es nicht. Ich denke an das schreckliche Jahr, in dem ich zusehen musste, wie Richard bis zur Erschöpfung versucht hat, Soldaten bei der Stange zu halten, als sie weder Waffen noch Sold bekamen. «Das sollte er tun», sage ich vorsichtig. «Aber niemand kann sicher sein, was der Herzog vorhat, ja, was er tun kann. Er muss regieren, als wäre er der König, aber er ist nicht der König. Er ist nur ein Lord unter vielen, und einige Lords mögen ihn nicht besonders. Ich hoffe nur, er gibt eurem Vater keine Schuld dafür, dass er Calais für England gehalten hat, und lässt ihn nach Hause kommen.»
Vor der Niederkunft ziehe ich mich in Grafton zurück, und als das Kind gesund zur Welt gekommen ist, schicke ich Richard eine Nachricht. Ein Mädchen, ein wunderschönes Mädchen, das ich Margaret nenne, nach der Königin, die gegen unsere Zeit ankämpft wie ein Vogel, der gegen ein Fenster fliegt. Nach meinem Rückzug lege ich mein kleines Mädchen in die Arme ihrer Amme und küsse die anderen Kinder. «Ich muss zurück an den Hof», sage ich. «Die Königin braucht mich.»
Der Herbst in Windsor ist lang und still. Erst färben sich die Bäume langsam gelb, dann golden. Der Zustand des Königs verändert sich nicht. Der kleine Prinz beginnt, sich auf die Füße zu ziehen, und macht die ersten Schritte aus dem Stand. Das ist das Interessanteste, das in dem ganzen Jahr passiert. Unsere Welt beschränkt sich auf die Burg, unser Leben besteht darin, uns um ein Kleinkind und einen Kranken zu kümmern. Die Königin ist eine vernarrte Mutter, morgens und abends besucht sie den Prinzen in der Kinderstube und nachmittags ihren Gemahl. Wir leben wie unter einem Zauber und sehen dem Kind beim Wachsen zu, als fürchteten wir, es könne auch einschlafen. Ein halbes Dutzend von uns geht morgens in die Kinderstube, als müssten wir uns mit eigenen Augen davon überzeugen, dass der kleine Prinz nach der Nacht aufgewacht ist. Davon abgesehen tun wir alles, wie es bei Hofe üblich ist, und warten dem König auf. Aber wir können nur herumsitzen und ihm beim Schlafen zusehen. Jeden Nachmittag sitzen wir da und beobachten das langsame Heben und Senken seiner Brust.
Sobald Richard einen Kapitän gefunden hat, lässt er mir einen Brief zukommen. Er schickt auch Nachricht an den Kronrat – demonstrativ schreibt er nicht an den Lord Protector –, die Männer ließen sich ohne Sold nicht mehr kommandieren. Ohne Geld aus der Staatskasse sehen sich die Händler von Calais gezwungen, für ihre eigene Verteidigung zu zahlen, und so
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