Die Mutter der Königin (German Edition)
dort haben sie nach ihren Regeln gekämpft. Ihnen wurde gesagt, sie dürften Ludlow plündern, um die verräterischen yorkistischen Lords zu bestrafen. Wenn wir uns jetzt als Spielverderber erweisen und von ihnen die Herausgabe des Diebesgutes verlangen, können wir sie nie wieder anheuern. «Solange York, Warwick und Salisbury leben, sind die Kriege nicht vorbei, sie sind nur aufgeschoben.»
Richard nickt. «Warwick ist wieder in Calais und Richard, Duke of York, in Irland. Die größten Feinde des Königreichs haben sich in ihre sicheren Burgen weit fort von der Insel zurückgezogen. Wir müssen uns auf eine Invasion vorbereiten.»
«Die Königin ist zuversichtlich», erzähle ich.
Die Königin ist in der Tat ungemein zuversichtlich. Der November kommt, und sie ist immer noch nicht nach London zurückgekehrt. Sie hasst die Stadt und gibt den dortigen Bänkelsängern und Volksbuchverkäufern die Schuld daran, dass sie in ihrem Königreich so unbeliebt ist. In deren Geschichten und Liedern wird sie als Wölfin dargestellt, die den Fischerkönig beherrscht – einen Mann, der nur noch ein Schatten seiner selbst ist. In den derbsten Versen wird sie bezichtigt, ihm mit einem dreisten Herzog die Hörner aufgesetzt und ihm einen Bastard in die königliche Wiege gelegt zu haben. Es kursiert eine Zeichnung von einem Schwan mit dem Gesicht Edmund Beauforts, der auf den Thron zuwatschelt. Es gibt Lieder und Wirtshauswitze über sie. Sie hasst London mit den Lehrlingen, die über sie lachen.
Also befiehlt sie dem Parlament, nach Coventry zu kommen – als ob sich Parlamente von Frauen befehlen ließen. Doch sie treffen gehorsam ein, als wären sie ihre Boten und an ihre Befehle gebunden. Nun verlangt sie, dass sie dem König, aber auch namentlich ihr und dem Prinzen Treue schwören sollen. Niemand hat je einer Königin den Treueid geleistet, doch sie tun es jetzt. Sie bezichtigt die drei yorkistischen Lords des Hochverrats, bemächtigt sich ihrer Ländereien und ihres Vermögens und verteilt es freigebig, als sei schon Weihnachten. Herzogin Cecily befiehlt sie, anwesend zu sein, sodass sie zuhören muss, als ihr Gemahl Verräter genannt und das Todesurteil über ihn verhängt wird.
Alles, was die yorkistischen Lords besessen haben, jeder Viertelmorgen Land, jede Fahne, alle Ehren und Titel, jeder Beutel Gold wird ihnen entrissen. Die arme Duchess of York, die nun eine königliche Pensionärin ist, eine Almosenempfängerin, zieht zu ihrer Schwester, der treuen Hofdame der Königin, Anne, Duchess of Buckingham. Es ist wie eine Mischung aus Hausarrest und Peinigung, kein Leben für eine Frau, die man einst die «Stolze Cis» nannte – eine Frau, fern von ihrem Gemahl, der im Exil ist, eine Mutter, voller Sehnsucht nach ihrem ältesten Sohn Edward, die Tochter eines großen Hauses, die all ihre Ländereien und ihr ganzes Erbe verloren hat.
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Sandwich, Kent und Calais
WINTER 1460
R ichard warnt die Königin, dass wir mit Warwicks Inbesitznahme von Calais einen Feind direkt vor unserer Küste haben, doch das bekommt ihm schlecht. Denn sobald die Gefechte vorüber sind und Frieden herrscht, bittet sie ihn, nach Sandwich zu gehen und die Stadt gegen Angriffe zu sichern.
«Ich komme mit», sage ich sofort. «Ich ertrage es nicht, wenn du in Gefahr und so weit fort von mir bist. Noch eine Trennung halte ich nicht aus.»
«Ich bin nicht in Gefahr», flunkert er, um mich zu beruhigen, und als er mein zweifelndes Gesicht sieht, kichert er wie ein Junge, den man bei einer offensichtlichen Lüge ertappt hat. «Ist ja gut, Jacquetta, sieh mich nicht so an. Aber sobald eine Invasion aus Calais droht, musst du nach Grafton gehen. Anthony nehme ich mit.»
Ich nicke. Es ist sinnlos, ihn darauf hinzuweisen, dass Anthony zu kostbar ist, um ihn Gefahren auszusetzen. Er ist ein junger Mann, geboren in einem Land, das ununterbrochen mit sich selbst Krieg führt. Ein anderer junger Mann, genauso alt wie er, Edward of March, der Sohn des Duke of York, absolviert jenseits des Ärmelkanals seine Lehrzeit als Soldat bei den Earls of Warwick und Salisbury. Seine Mutter, die Duchess of York, die in England festgehalten wird, kann gar nicht mit ihm sprechen. Sie kann nur warten und sich sorgen, so wie ich warte und mich sorge. In diesen Zeiten können Mütter nicht hoffen, ihre Söhne in der Sicherheit ihres Hauses zu behalten.
Richard und ich mieten ein Haus in Sandwich, während Anthony die Männer in der nahe gelegenen
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