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Die Mutter der Königin (German Edition)

Die Mutter der Königin (German Edition)

Titel: Die Mutter der Königin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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nur.

    Die Überfahrt dauert nicht lange. Richard kommt wieder zu sich, und sie geben uns klares Wasser und etwas zu essen. Anthony ist unverletzt. Erst werden wir in eine kleine Kabine eingeschlossen, aber dann, als das Schiff in See gestochen ist und das große Segel im Wind knarzt, lassen sie uns auf Deck. Eine Weile können wir kein Land sehen. England liegt irgendwo hinter uns, doch dann erkennen wir am Horizont eine dunkle Linie, der gedrungene Buckel der Stadt kommt näher, die gerundeten Mauern der Burg oben auf dem Kamm. Ich kehre also unter Bewachung nach Calais zurück, als Geisel, in die Stadt, in die ich einst als Herzogin eingezogen bin.
    Ich werfe Richard einen Blick zu, auch er erinnert sich daran. Dieser Außenposten stand unter seinem Befehl – jetzt ist er ein Gefangener. Das Rad des Schicksals hat sich wahrlich gedreht.
    «Nehmt euch in Acht», sagt er leise zu mir und Anthony. «Dir werden sie nichts zuleide tun, Jacquetta, sie kennen und mögen dich. Sie führen keinen Krieg gegen Frauen. Aber es wird die Duchess of York verärgert haben, wie die Königin sie behandelt hat, und wir sind in ihrer Hand. Niemand wird uns retten kommen. Wenn wir mit dem Leben davonkommen wollen, müssen wir unseren Verstand gebrauchen. Wir sind auf uns gestellt.»
    «Der Duke of Somerset hält die Burg in Guisnes, vielleicht kommt er uns holen», meint Anthony.
    «Der kommt nicht näher als eine halbe Meile heran», widerspricht mein Gemahl. «Ich habe diese Stadt befestigt, ich kenne ihre Stärken. Die nimmt in diesem Jahrhundert niemand mit Gewalt ein. Deswegen sind wir Geiseln in der Hand des Feindes. Sie haben keinen Grund, dir etwas anzutun, Jacquetta, aber viele Gründe, mich zu töten.»
    «Sie können dich nicht töten», sage ich. «Du hast nichts falsch gemacht, sondern warst dem König vom Tag deiner Geburt an treu ergeben.»
    «Ein guter Grund, mich umzubringen», meint er. «Denn dann bekommen die anderen Angst. Also werde ich auf meine Manieren achten und freundlich zu ihnen sein, und wenn ich schwören muss, mein Schwert abzugeben, um mein Leben zu retten, so werde ich es tun. Und du ebenso», wendet er sich an Anthony, der sich mit einem ungeduldigen Wort wegdreht. «Wenn sie uns nur unter der Bedingung und gegen das Versprechen entlassen, dass wir nie wieder die Waffen gegen sie erheben, werden wir ihnen auch dieses Versprechen geben. Wir haben keine Wahl. Wir sind geschlagen. Und ich will wirklich nicht auf dem Schlachtgerüst enthauptet werden, das ich selbst habe errichten lassen. Ich will auch nicht auf dem Friedhof beerdigt werden, den ich wieder hergerichtet habe. Versteht ihr mich?»
    «Ja», sagt Anthony knapp. «Aber wie konnten wir uns nur ergreifen lassen?»
    «Was geschehen ist, ist geschehen», sagt Richard streng. «So geht es im Krieg. Wir müssen uns jetzt nur darüber Gedanken machen, wie wir hier heil herauskommen. Und wir tun das, indem wir freundlich sind, auf Zeit spielen und nicht aufbrausen. Mehr als alles andere, mein Sohn, möchte ich, dass du höflich bleibst und dich ergibst, wenn du musst, damit wir dies lebend überstehen.»

    Sie behalten uns bis zum Einbruch der Dunkelheit auf dem Schiff, sie wollen nicht, dass Richard durch die Stadt spaziert und von den Leuten gesehen wird. Die einflussreichen Kaufleute von Calais lieben ihn, weil er die Festung gegen Yorks Anspruch verteidigt hat. Die Männer der Stadt erinnern sich an ihn als an den treuen und tapferen Hauptmann der Burg, dessen Wort Gesetz war und dem man blind vertrauen konnte. Die Truppen von Calais achten ihn als strengen und gerechten Befehlshaber. Weil sie einst unter Richards Befehl standen, hatten sich die sechshundert Mann dazu entschlossen, in Ludlow die Seiten zu wechseln und den König zu unterstützen. Soldaten, die unter ihm gedient haben, folgen ihm bis in die Hölle. Warwick möchte diesem außerordentlich beliebten Anführer keine Gelegenheit geben, bei seinem Gang durch die Stadt die Menschen anzurufen.
    Deswegen warten sie, bis es dunkel ist, und bringen uns dann im Schutz der Nacht wie geheime Gefangene in die Burg. Nach den düsteren Straßen blenden uns nun die Flammen der Fackeln. Sie führen uns durch das Tor, unter der Felsbrücke hindurch in die große Halle mit hellen Feuern auf beiden Seiten. Bei unserem Anblick werden die Männer der Garnison unruhig.
    Wie mittellose Ausreißer von einem Kriegsschauplatz stehen wir drei da und sehen uns in der großen Halle um, betrachten die gewölbte

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