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Die Mutter der Königin (German Edition)

Die Mutter der Königin (German Edition)

Titel: Die Mutter der Königin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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abgeschlossen. Die Menschen fliehen lieber in die Hügel, als die Königin von England willkommen zu heißen. Wir brechen ein, stöbern etwas zu essen auf, zünden ein Feuer an und befehlen den Männern, in der Scheune oder im Hof zu bleiben und nichts zu stehlen. Doch alles Wertvolle wurde bereits fortgeschafft oder versteckt. Wer auch immer hier gelebt hat, fürchtete die Königin wie eine Diebin in der Nacht. Sie haben nichts zurückgelassen für die Königin und ihre Armee, gewiss würden sie niemals für sie kämpfen. Sie ist zur Feindin ihres eigenen Volkes geworden.
    In der Morgendämmerung des nächsten Tages begreifen wir, warum. Es hämmert laut an der Haustür, und als ich aus dem Bett steige, sieht mich ein finsteres Gesicht durchs Fenster an. Einen Augenblick später ist die kleine Glasscheibe zertrümmert. Ein Mann steht im Zimmer, und ein zweiter steigt mit einem Messer zwischen den Zähnen hinter ihm ein. «Richard!», schreie ich, schnappe mir mein Messer und fahre zu ihnen herum. «Ich bin die Duchess of Bedford, eine Freundin der Königin», schreie ich.
    Der Mann erwidert etwas, doch ich verstehe kein Wort. «Ich gehöre dem Hause Lancaster an!», sage ich. Und dann versuche ich es auf Französisch: «Je suis la duchesse de Bedford.»
    «Mach dich gefasst, zur Seite zu treten», flüstert Richard hinter mir. «Spring nach rechts, wenn ich es sage … Jetzt.»
    Ich werfe mich nach rechts, er stürzt nach vorn, und der Mann klappt mit einem schrecklichen Röcheln über Richards Schwert zusammen. Blut schießt ihm aus dem Mund, er taumelt, streckt die Hände nach mir aus und stürzt unter entsetzlichem Stöhnen zu Boden. Richard stützt sich mit dem Fuß auf dem Bauch des Mannes ab und zieht sein Schwert heraus. Scharlachrotes Blut ergießt sich, während der Mann vor Schmerzen brüllt. Sein Kamerad verschwindet zum Fenster hinaus, und Richard beugt sich mit dem Dolch über den Mann und schneidet ihm rasch die Kehle durch, als schlachtete er ein Schwein.
    «Wie geht es dir?», fragt er und wischt sein Schwert und den Dolch an den Bettvorhängen ab.
    In meiner Kehle steigt Übelkeit auf. Ich würge, halte mir die Hand vor den Mund und laufe zur Tür.
    «Dorthin», sagt Richard und zeigt auf den Kamin. «Ich weiß nicht, ob das Haus sicher ist.»
    So übergebe ich mich in den Kamin, und der Gestank des Erbrochenen mischt sich mit dem Geruch von warmem Blut. Richard streichelt mir über den Rücken. «Ich muss nachsehen, was da draußen los ist. Schließ dich hier ein und verriegele die Fensterläden. Ich schicke einen Mann, der die Tür bewachen soll.»
    Er ist fort, bevor ich widersprechen kann, und so gehe ich zum Fenster und schließe die Läden. Draußen in der Winterdunkelheit sehe ich bei der Scheune zwei Fackeln, doch ich kann nicht sagen, ob es unsere Männer sind oder die Schotten.
    Ich verriegele die Fensterläden. Jetzt ist es stockdunkel im Raum, doch ich rieche das Blut, das dem Mann langsam aus der Wunde sickert, und ich taste nach dem Bettpfosten und trete vorsichtig um ihn herum. Ich habe solche Angst, dass er aus der Hölle die Hand ausstreckt und mich am Fuß packt, dass ich es kaum zur Tür schaffe, doch dann schließe ich sie zu, wie Richard mir aufgetragen hat. Jetzt bin ich mit dem Toten eingeschlossen.
    Draußen erhebt sich Gebrüll, plötzlich erschallt eine Trompete, und dann höre ich Richard vor der Tür. «Du kannst jetzt herauskommen, die Königin ist unterwegs, und die Männer sind wieder in ihren Reihen. Wie es scheint, waren das ihre Späher. Sie waren auf unserer Seite.»
    Mit zitternden Händen öffne ich den Riegel und reiße die Tür auf. Richard hat eine Fackel, und sein Gesicht ist grimmig in ihrem flackernden Licht. «Hol deinen Umhang und deine Handschuhe», sagt er. «Wir schließen uns an.»
    Ich muss noch einmal an dem toten Mann vorbei, denn mein Umhang liegt auf dem Bett. Ich blicke über ihn hinweg. Wir lassen ihn dort liegen, ohne Beichte, in seinem eigenen Blut, mit durchschnittener Kehle, tot.
    «Jacquetta!», sagt sie.
    «Marguerite.» Wir umarmen einander, ich lege meine warme Wange an die ihre. Ich spüre die Freude und die Zuversicht, die ihre schlanke Gestalt durchströmen. Ich rieche das Parfüm in ihrem Haar, und ihr Pelzkragen kitzelt mich am Kinn.
    «Was habe ich für Abenteuer erlebt! Ihr werdet nicht glauben, was ich für Reisen unternommen habe. Seid Ihr in Sicherheit?»
    Ich zittere noch vor Schreck über die Gewalt in meinem Schlafzimmer.

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