Die Mutter der Königin (German Edition)
sie doch mitspielen zu lassen – über Edward, Margaret, Lionel und Eleanor bis hin zu Martha, die mit ihren zehn Jahren die Älteste in der Kinderstube ist, ist die Heimkehr ihrer Brüder und Schwestern ein großer Spaß. Richard und John sind zwei unzertrennliche junge Männer von vierzehn und fünfzehn Jahren, Jacquetta und Mary sind nachdenkliche junge Frauen, die in diesen schwierigen Zeiten in den Häusern von Nachbarn untergekommen sind. Anthony und Anne sind natürlich die Ältesten. Anne müsste eigentlich längst verheiratet sein, doch was soll ich machen, wo das ganze Land in Aufruhr ist und es nicht einmal einen Hof gibt, an dem sie als Hofdame dienen könnte? Und wie soll ich für Anthony eine Braut finden, wenn ich nicht einmal weiß, wer nächsten Monat noch wohlhabend ist und in der Gunst des Königs steht, von zehn Jahren ganz zu schweigen? Die Tochter von Lord Scales war ihm versprochen, doch Lord Scales ist tot und seine Familie in Ungnade gefallen wie wir. Und schließlich die schwierigste Frage: Wer sollte Ehen für meine Kinder stiften und sich nach den großen Häusern umsehen, in denen sie untergebracht werden sollten, um alles Notwendige zu erlernen? Woher weiß ich, wer Lancaster treu bleiben wird, wenn das Haus Lancaster aus einem König besteht, der in den Gemächern der Königin lebt, einer abwesenden Königin und einem siebenjährigen Jungen? Doch über Verbindungen mit Anhängern des Hauses York nachzudenken bringe ich noch nicht über mich.
Ich möchte die Kinder bis zum Frühjahr bei uns in Grafton behalten, vielleicht auch länger. Im neuen königlichen Haushalt, der ein yorkistischer Hof sein wird, ist für uns kein Platz – denn jetzt gibt es yorkistische Pöstcheninhaber und Lords und Mitglieder des Parlaments und bald vermutlich auch yorkistische Höflinge und Hofdamen. Cecily Neville, die Duchess of York, wurde vom Rad des Schicksals hoch hinauf getragen. Sie schläft wie eine Königin in den königlichen Gemächern unter einem Baldachin aus goldenem Stoff. Sicher denkt sie jeden Tag, es sei Weihnachten. Doch wir können niemals einem yorkistischen Hof angehören. Wie sollten wir jemals die Demütigung in der großen Halle der Burg von Calais vergessen, von vergeben ganz zu schweigen? Vielleicht werden wir lernen, im eigenen Land im Exil zu leben. Vielleicht soll ich ab jetzt, da ich fünfundvierzig bin und mein jüngstes Kind gerade sprechen lernt, in einem Land leben, das an das Land meiner Kindheit erinnert: Mit einem Herrscher im Norden des Königreichs und einem im Süden, und alle müssen sich entscheiden, wen sie für den wahren König halten. Alle kennen ihre Feinde, und alle sinnen auf Rache.
In so einer Welt, in so einer Zeit die Zukunft unserer Familie zu planen bringt mich zur Verzweiflung, doch ich finde Trost in der Verwaltung unserer Ländereien. Ich mache mich daran, die Vergrößerung unserer Obstgärten zu planen, und kaufe von einem Hof in der Nähe von Northampton einige junge Bäume. Richard meint, Seereisen seien ungefährlich und auf dem Markt in Calais werde er einen besseren Preis für unsere Schafwolle erzielen. Die Straßen nach London sind sicher, der Duke of York stärkt die Sheriffs und befiehlt ihnen, dafür zu sorgen, dass in allen Grafschaften Gerechtigkeit herrscht. Nach und nach befreien sich die Grafschaften von Banditen und Wegelagerern. Wir geben es nicht zu, nicht einmal voreinander, doch das sind große Verbesserungen. Auch wenn wir es niemals laut aussprechen, denken wir doch allmählich, dass wir vielleicht so leben können, als Grundbesitzer in einem Land, in dem Frieden herrscht. Vielleicht können wir Obst anbauen, Schafe halten und zusehen, wie unsere Kinder ohne Angst vor Verrat und Krieg erwachsen werden. Richard of York mag uns vom Königshof vertrieben haben, doch er hat uns Frieden auf dem Land beschert.
Ende Januar kommen drei Reiter die Landstraße heruntergedonnert, deren Pferde knirschend die vereisten Pfützen zertreten. Ich sehe sie vom Fenster der Kinderstube, wo ich über Katherines Schlaf wache, und weiß augenblicklich, dass sie schlechte Nachrichten bringen. Die ruhigen, kalten Wintermonate sind vorbei. Es war überhaupt kein Frieden, es war nur die übliche Winterpause in einem endlosen Krieg, der so lange weitergehen wird, bis wir alle tot sind. Für einen kurzen Augenblick erwäge ich sogar, die Fensterläden zu schließen und mich in der Kinderstube zu verkriechen. Auf einen Ruf, den ich nicht höre, muss ich
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