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Die Mutter der Königin (German Edition)

Die Mutter der Königin (German Edition)

Titel: Die Mutter der Königin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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Säugling, der Milch nuckelt und in die Windel macht. Ich muss warten, bis die Sterne seine Sache befeuern, ich muss nach Waffen forschen, die man ihm in die Hand drücken kann. Er ist mein Neffe, ich muss ihn leiten. Ich bin sein Onkel, und er ist mein König. Ich muss ihm zum Sieg verhelfen. Das ist meine Pflicht, meine Bestimmung. Und du wirst mir dabei helfen.»
    Woodville wartet einen Augenblick, doch als mein Lord tief in Gedanken versinkt, öffnet er die Tür zum nächsten Raum und tritt zurück. Ich betrete den Raum, und es kribbelt mir in der Nase von all den fremden Düften. Es riecht wie in einer Schmiede, nach heißem Metall, aber auch ein wenig säuerlich und scharf. In der Luft hängt beißender Qualm, der mir in den Augen brennt. Mitten im Raum sind vier Männer in Lederschürzen an kleinen Kohlepfannen zugange, die auf Steinbänken stehen. Auf dem Kohlenfeuer blubbert es in Bronzegefäßen wie Soßentöpfen. Durch die offene Tür hinter ihnen, die in einen Innenhof führt, erkenne ich einen jungen Burschen, der mit freiem Oberkörper den Blasebalg eines Ofens bedient und so eine große Kammer aufheizt wie einen Brotofen. Ich sehe Woodville an. Er nickt, als wollte er sagen: «Nur Mut.» Doch in dem Raum riecht es nach Schwefel, und der Ofen draußen glüht wie der Eingang zur Hölle. Ich fahre zurück, und mein Gemahl lacht ob meines blassen Gesichts.
    «Keine Angst. Ich habe dir doch gesagt, hier gibt es nichts zu fürchten. Sie arbeiten an unseren Rezepturen und probieren ein Elixier nach dem nächsten. Da draußen schmieden wir das Metall, dann wird es hereingebracht und geprüft. Hier werden wir Silber herstellen, Gold, ja, das Leben selbst.»
    «Es ist so heiß», sage ich matt.
    «Dies sind die Feuer, die Wasser in Wein verwandeln», erklärt er mir, «Eisen in Gold, Erde in Leben. Alles auf der Welt strebt nach einem Zustand der Reinheit, der Perfektion. Und hier beschleunigen wir diesen Prozess, hier verwandeln wir Metall und Wasser, wie die Welt selbst es tief in ihren Eingeweiden tut, über viele Jahrhunderte, mit Wärme, wie ein Küken in einem Ei ausgebrütet wird. Wir machen es heißer, wir machen es schneller. Hier können wir unser Wissen auf die Probe stellen und dazulernen. Dies ist der Kern meines Lebenswerks.»
    Draußen im Hof wird ein rot glühender Metallstab aus den Kohlen des Ofens gezogen und flach geklopft.
    «Denk nur, wenn ich Gold herstellen könnte», sagt er sehnsuchtsvoll. «Wenn ich Eisen so reinigen könnte, dass seine gewöhnlichen Bestandteile verbrennen und nur das reine Gold übrig bleibt. Ich könnte Soldaten anheuern, Verteidigungswälle verstärken und Paris satt machen. Wenn ich meine eigene Goldmine und eine eigene Münze hätte, könnte ich ganz Frankreich für meinen Neffen einnehmen und für immer halten.»
    «Ist das denn möglich?»
    «Wir wissen, dass es möglich ist», sagt er. «Und dass es schon sehr oft gemacht worden ist, wenn auch immer im Geheimen. Alle Metalle sind von derselben Art, alles ist aus demselben Stoff: ‹Urmaterie› nennen sie ihn in den Büchern, ‹dunkle Materie›. Der Stoff, aus dem die Erde entstanden ist. Wir müssen ihn nachbilden, diesen Schöpfungsprozess nachvollziehen. Also nehmen wir dunkle Materie und vervollkommnen sie ein ums andere Mal. Wir veredeln sie zu ihrer reinsten und besten Form.» Er unterbricht sich, als er mein verständnisloses Gesicht bemerkt. «Du weißt, dass Wein aus dem Saft von Trauben hergestellt wird?»
    Ich nicke.
    «Jeder französische Bauer kann das. Zuerst nimmt er die Trauben und presst den Saft heraus. Er nimmt eine Frucht – etwas Festes, das an einer Rebe wächst – und verwandelt sie in etwas Flüssiges. Diese Verwandlung, das ist Alchemie. Dann lagert er den Traubenmost ein, und das Leben darin verwandelt ihn in Wein, auch eine Flüssigkeit, aber mit vollkommen anderen Eigenschaften als der Saft. Ich gehe noch einen Schritt weiter. Ich nehme eine andere Veränderung vor, gleich hier. Ich mache aus Wein eine Essenz, die hundertmal so stark ist, die allein beim Anblick einer Flamme brennt und die einen Mann von Melancholie und trüben Stimmungen heilen kann. Es ist eine Flüssigkeit, aber sie ist heiß und trocken. Wir nennen sie aqua vitae – Wasser des Lebens. All das kann ich schon, ich kann aus Saft aqua vitae machen – die Verwandlung von Eisen in Gold ist nur der nächste Schritt.»
    «Und was soll ich tun?», frage ich nervös.
    «Heute nichts», erwidert er. «Aber morgen

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