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Die Mutter der Königin (German Edition)

Die Mutter der Königin (German Edition)

Titel: Die Mutter der Königin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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Chinon. Eine Serie von Kratzern zeigt an, wo die Fähnchen heftig in die Karte gestochen wurden, um den triumphalen Vormarsch von Jeanne d’Arc durch halb Frankreich zu markieren, siegreich auf der ganzen Strecke, bis vor die Tore von Paris, erst vor zwei Jahren.
    «Ganz Frankreich gehört von Rechts wegen uns», erklärt mein Gemahl und lässt den Blick neidisch über die grüne Landschaft schweifen, die zum Mittelmeer hinunterführt. «Und wir bekommen es. Ich werde es erringen, für Gott und König Henry.»
    Er beugt sich über den Tisch. «Schau, hier rücken wir vor», sagt er und zeigt auf die kleinen Fahnen mit dem Georgskreuz, die sich als Zeichen Englands über den Osten Frankreichs ausbreiten. «Und wenn sich der Herzog von Burgund als treu erweist und ein guter Verbündeter bleibt, dann können wir unsere Gebiete in der Provinz Maine zurückgewinnen. Sollte der Dauphin so dumm sein, den Herzog anzugreifen – und davon gehe ich aus –, und sollte ich den Herzog überzeugen können, dass wir beide gleichzeitig kämpfen …» Er unterbricht sich, als er bemerkt, dass ich nach oben sehe. «Ach das, das sind meine Planeten.» Als gehörte der Nachthimmel ihm – so wie Frankreich.
    Von den überkreuzten Holzbalken hängt eine Reihe wunderschöner silberner Kugeln herab, einige von silbernen Ringen umgeben, andere mit winzig kleinen Kugeln neben sich. Es ist solch ein schöner Anblick, dass ich die Karte mit den Fähnchen der Feldzüge vergesse und in die Hände klatsche. «Oh, wie wunderbar! Was ist das?»
    Woodville, der Edelknecht, lacht leise.
    «Kein Grund zur Belustigung», sagt mein Gemahl mürrisch. Dann nickt er einem Schreiber zu. «Na gut, zeigt der Herzogin den Himmel am Tage ihrer Geburt.»
    Der junge Mann tritt vor. «Verzeiht, Euer Gnaden, wann wurdet Ihr geboren?»
    Ich werde rot. Der genaue Tag meiner Geburt ist mir – wie fast allen Mädchen – nicht bekannt. Meine Eltern haben sich nicht die Mühe gemacht, den Tag und die Uhrzeit zu notieren. Mir sind nur das Jahr und die Jahreszeit bekannt, und Letztere weiß ich auch nur, weil meine Mutter großes Verlangen nach Spargel hatte, als sie mich unter dem Herzen trug, und schwört, dass sie ihn zu grün gegessen hat und davon solche Bauchschmerzen bekam, dass die meine Geburt auslösten.
    «Frühling 1416», sage ich. «Vielleicht Mai?»
    Er zieht eine Schriftrolle aus der Bibliothek und rollt sie auf dem hohen Tisch auseinander. Nachdem er sie sorgfältig studiert hat, zieht er an einem Hebel, dann an einem weiteren und schließlich an einem dritten. Zu meinem großen Entzücken senken sich die Kugeln mit ihren Ringen und den sie umkreisenden kleineren Kugeln langsam von den Deckenbalken herab, bis sie, wenn auch noch leicht hin- und herschwingend, in der Position sind, die sie am Himmel zum Zeitpunkt meiner Geburt eingenommen haben. Ein helles Klingen ertönt, denn an den Seilen, an denen die Kugeln hängen, sind kleine Silberglöckchen befestigt, die läuten, wenn sie ihren Platz einnehmen.
    «Ich kann vorhersagen, wie die Sterne stehen, bevor ich ins Feld ziehe», sagt mein Gemahl. «Ich ziehe nur in die Schlacht, wenn die Sterne günstig stehen. Doch die Berechnung auf dem Papier dauert Stunden, und man vertut sich leicht. Hier haben wir einen Mechanismus gebaut, so schön und so regelmäßig, wie Gott ihn schuf, als er die Sterne am Firmament in Bewegung setzte. Ich habe eine Maschine geschaffen, die dem Werk Gottes gleicht.»
    «Könnt Ihr damit wahrsagen? Wisst Ihr vorher, was geschehen wird?»
    Er schüttelt den Kopf. «Nicht so, wie ich es mir von dir erhoffe. Ich kann sagen, wann die Frucht reif ist, aber nicht, wie sie aussehen wird. Ich kann sagen, dass unser Stern im Aufstieg begriffen ist, aber nicht, wie eine bestimmte Schlacht ausgehen wird. Und vor dieser Hexe aus Orléans sind wir nicht gewarnt worden.»
    Der Schreiber senkt traurig den Kopf. «Satan hat sie vor uns verborgen», meint er nur. «Da war keine Dunkelheit, kein Komet, es gab keine Anzeichen ihres Aufstiegs und – Gott sei gepriesen – auch keine ihres Todes.»
    Mit einem Nicken nimmt mein Gemahl mich am Arm und führt mich vom Tisch und dem Kopisten fort. «Mein Bruder, der verstorbene König, war ein Mann des Mars», erzählt er. «Hitze und Feuer, Wärme und Trockenheit, ein Mann, geboren, um in die Schlacht zu ziehen und zu siegen. Sein Sohn ist nass und kalt, ein Mann zwar, wenn auch jung an Jahren, aber im Herzen noch ein Kind, feucht wie ein

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