Die Mutter der Königin (German Edition)
wiedererkannt? Komm und sieh, ob du uns die Stadt auf der Karte zeigen kannst. Glaubst du, es geschieht jetzt im Augenblick, oder ist es eine Vision aus der Zukunft?»
Er zerrt mich an den Tisch, wo die kleine Welt Frankreichs vor mir liegt, und ich blicke benommen auf das Flickwerk von Besitzungen.
«Ich weiß nicht», sage ich. «Da war Nebel und eine Armee, die bergan stürmte. Da war Schnee, rot von Blut. Da war eine Königin mit ihrem Pferd in einer Schmiede, dem sie die Hufeisen falsch herum aufgeschlagen haben.»
Er sieht mich an, als würde er mich am liebsten schütteln, damit ich zur Besinnung komme. «Das nützt mir nichts, Mädchen», sagt er leise. «Verfluchungen kann ich mir am Samstag auf dem Markt anhören. Ich muss wissen, was dieses Jahr geschieht. Ich muss wissen, was in Frankreich geschieht. Ich brauche die Namen von Städten und die Anzahl der Aufständischen. Ich brauche Einzelheiten.»
Stumm erwidere ich seinen Blick. Sein Gesicht ist finster vor Enttäuschung. «Ich rette gerade ein Königreich», erklärt er. «Ich brauche mehr als Nebel und Schnee. Ich habe dich nicht geheiratet, damit du mir etwas von Königinnen mit verkehrt herum beschlagenen Pferden erzählst. Was kommt als Nächstes? Meerjungfrauen im Bade?»
Ich schüttele den Kopf. Ehrlich, ich weiß gar nichts.
«Jacquetta, ich schwöre, es wird dir noch leidtun, wenn du dich mir widersetzt», sagt er leise drohend. «Die Sache ist zu wichtig, als dass ich mich von dir zum Narren halten lasse.»
«Vielleicht sollten wir sie nicht allzu sehr anstrengen», wirft Woodville ein, den Blick auf die Bücherregale gerichtet. «Vielleicht ist die tägliche Arbeit zu viel für sie. Sie ist noch jung und das Arbeiten nicht gewohnt. Wir könnten sie allmählich ausbilden, wie einen Nestling, einen jungen Falken. Vielleicht sollten wir ihr erlauben, am Vormittag zu reiten und spazieren zu gehen und sie nur einmal die Woche ums Wahrsagen bitten?»
«Nicht, wenn ihre Vision eine Warnung enthält!», platzt der Herzog heraus. «Nicht, wenn diese für die Gegenwart gilt! Wenn wir in Gefahr sind, kann sie nicht ruhen. Wenn diese Schlacht im Nebel und diese Schlacht im Schnee diesen Winter in Frankreich geschlagen werden, dann müssen wir es jetzt erfahren.»
«Wie Ihr wisst, hat der Dauphin weder genug Truppen noch genug Verbündete, um uns jetzt anzugreifen.» Woodville wendet sich ihm zu. «Es kann keine Warnung sein, die sofort gilt, es kann nur ein angsterfüllter Traum von der Zukunft sein. Ihr Kopf steckt voller Furcht vor Kriegen, und wir haben ihr zusätzlich Angst eingejagt. Wir haben ihr die Visionen in den Kopf gesetzt. Aber wir müssen ihren Kopf frei machen, wir müssen ihr ein wenig Frieden gewähren, damit sie wieder sein kann wie ein sauberer Fluss. Als Ihr sie gekauft …» Er gerät ins Stolpern und verbessert sich. «Als Ihr sie gefunden habt, war sie unverdorben. Wir müssen achtgeben, das Wasser nicht zu trüben.»
«Einmal im Monat!», wirft der Alchemist plötzlich ein. «Wie ich schon zu Anfang gesagt habe, Mylord: Sie sollte sprechen, wenn ihr Element im Aufsteigen begriffen ist. Am Abend des Neumonds. Sie ist ein Geschöpf des Mondes und des Wassers, sie wird am klarsten sehen und am klarsten sprechen, wenn der Mond zunimmt. An diesen Tagen sollte sie arbeiten, unter einem aufsteigenden Mond.»
«Sie könnte am Abend kommen, im Mondschein.» Mein Gemahl überlegt laut. «Vielleicht hilft das.» Er bedenkt mich mit einem kritischen Blick, wie ich im Stuhl lehne, die Hand an der pochenden Stirn. «Ihr habt recht», sagt er zu Woodville. «Wir haben zu viel von ihr verlangt, zu schnell. Reitet mit ihr aus, nehmt sie mit hinunter an den Fluss. Und nächste Woche brechen wir auf nach England, wir können kleine Etappen machen. Sie ist blass, sie muss sich ausruhen. Nehmt sie am Vormittag mit nach draußen.» Er lächelt mich an. «Ich bin kein harter Zuchtmeister, Jacquetta, obwohl viel zu tun ist und ich in Eile bin. Du sollst Zeit zur Muße haben. Geh in den Stall, dort habe ich eine Überraschung für dich.»
Ich bin so erleichtert, den Raum verlassen zu dürfen, dass ich vergesse, mich zu bedanken. Erst als sich die Tür hinter uns schließt, werde ich neugierig.
«Was für eine Überraschung hat mein Lord für mich im Stall?», frage ich Woodville, der mir auf dem Fuß folgt, die Wendeltreppe von der Galerie hinunter in den inneren Hof. Wir gehen an der Waffenkammer vorbei in den Stallhof. Diener tragen
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