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Die Mutter der Königin (German Edition)

Die Mutter der Königin (German Edition)

Titel: Die Mutter der Königin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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mir. «Solange du dir dein gutes Aussehen bewahrst, stehe auch ich in ihrer Gunst.»
    Die Diener des Königs begrüßen uns am Tor zum Palast von Westminster und führen uns durch ein Gewirr von Höfen und Gärten, Räumen mit inneren Räumen, Galerien und Höfen, bis wir schließlich zu den Privatgemächern des Königs gelangen. Eine Doppeltür wird aufgestoßen, gefolgt von einer zweiten Doppeltür, hinter der sich ein Raum voller Menschen in den prächtigsten Kleidern befindet, und mittendrin schließlich, wie ein winziger Kastenteufel, der aus einer Reihe von Schachteln springt, der junge König. Er erhebt sich vom Thron und kommt seinem Onkel zur Begrüßung entgegen.
    Er ist schmächtig und klein, das ist mein erster Eindruck. Und er ist blass, blass wie ein Gelehrter, obwohl er, wie ich weiß, jeden Tag Turnübungen macht und reitet, ja, sogar tjostet – wobei sie die Lanze seines Gegners zur Sicherheit mit einem Kissen abpolstern. Ich frage mich, ob er krank ist, denn seine Haut ist durchscheinend und sein Schritt so langsam, dass ich regelrecht fühle, wie schwach er ist. Plötzlich bemerke ich mit großem Entsetzen, dass er in diesem Licht für einen Augenblick so aussieht, als wäre er aus Glas, so dünn und durchscheinend, fast als würde er zerbrechen, wenn er stolperte und auf die Steine fiele.
    Ich keuche, und mein Gemahl schaut, für einen Augenblick abgelenkt, auf mich herab. Dann wendet er sich seinem Neffen, dem König, zu, verneigt sich und umarmt ihn in einer einzigen Bewegung.
    «Oh! Gebt acht!», flüstere ich, als könnte er ihn zerdrücken, und Woodville tritt rasch vor und legt meine rechte Hand auf seinen Arm, als wollte er mich nach vorne führen, um mich dem König zu präsentieren.
    «Was ist?», flüstert er. «Seid Ihr unpässlich, Mylady?»
    Mein Gemahl hat dem Jungen beide Hände auf die Schultern gelegt, er sieht in das blasse Gesicht, in die hellgrauen Augen. Ich spüre fast das Gewicht seiner Hände, ich spüre, dass es schier zu viel für den Jungen ist.
    «Er ist so zart», flüstere ich, bevor ich die richtigen Worte finde: «Er ist zerbrechlich, wie ein Prinz aus Eis, aus Glas.»
    «Nicht jetzt!», befiehlt Woodville und kneift mir in die Hand. Ich bin so überrascht über seinen Tonfall und den scharfen Schmerz, dass ich zusammenfahre und ihn ansehe. Da besinne ich mich und bemerke, dass der Hofstaat um uns versammelt ist und mich, meinen Lord und den König anstarrt. Woodville zieht mich mit solcher Entschlossenheit nach vorn, damit ich meinen Knicks mache, dass ich weiß, dass ich kein Wort mehr sagen darf.
    Ich sinke in einen tiefen Knicks, und der König hebt mich mit einer leichten Berührung am Arm wieder hoch. Er ist respektvoll, denn ich bin seine Tante, auch wenn ich erst siebzehn Jahre alt bin und er zwölf: zwei unschuldige junge Menschen in diesem Hofstaat steifer Erwachsener. Mit leiser hoher Stimme, die noch nicht den Tonfall eines Mannes hat, heißt er mich in England willkommen und küsst mich rechts und links auf die Wange.
    Die Berührung seiner Lippen ist kalt wie das brüchige Eis, das mir in den Sinn kam, als ich ihn eben zum ersten Mal sah, und seine Hände, die die meinen halten, sind schmal. Ich meine fast, seine Fingerknochen wie kleine Eiszapfen zu spüren.
    Er bittet uns zum Abendessen, wendet sich um und führt mich an der Spitze der Hofgesellschaft hinein. Eine prächtig gekleidete Frau weicht schwerfällig zurück, als machte sie mir nur ungern Platz. Ich sehe den jungen König an.
    «Meine Tante Eleanor, Duchess of Gloucester», flötet er in seinem piepsigen Diskant. «Die Gemahlin meines geliebten Onkels Humphrey, Duke of Gloucester.»
    Ich knickse vor ihr und sie vor mir, und hinter ihr sehe ich das gutaussehende Gesicht meines Schwagers, des Duke of Gloucester. Er und mein Gemahl umarmen einander innig, doch als mein Mann sich an seine Schwägerin Eleanor wendet, bemerke ich die Strenge in seinem Blick.
    «Ich hoffe, wir werden alle glücklich zusammen leben», sagt der König mit seiner zaghaften Stimme. «Ich finde, eine Familie sollte zusammenstehen wie ein Mann. Eine königliche Familie sollte immer zusammenstehen wie ein Mann, findet Ihr nicht? Wir alle sollten einander lieben und in Harmonie miteinander leben.»
    «Selbstverständlich», sage ich, doch wenn ich je Rivalität und Neid bei einer Frau gesehen habe, dann jetzt in dem schönen, verwöhnten Gesicht der Duchess of Gloucester. Sie trägt einen hohen Kopfschmuck, mit dem sie

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