Die Mutter der Königin (German Edition)
sich seinen Ruhestand verdient.»
«Ist er denn so müde? Ich habe ihn seit Wochen nicht gesehen.»
Er schüttelt hoffnungslos den Kopf. «Ich würde sagen, er schuftet sich zu Tode. Aber er hört nicht auf.»
«Warum bloß nicht? Wenn sie es ihm doch sagen?»
«Weil er Männer wie Euren Onkel Louis nicht ohne Führung in Paris lässt. Er lässt Frankreich nicht ohne Regenten zurück. Er lässt nicht zu, dass die Armagnaken bei den Friedensverhandlungen ihre Forderungen stellen, wenn er sie nicht parieren kann. Wir brauchen Frieden; Burgund ist bereit dafür und ist wahrscheinlich schon hinter unserem Rücken mit den Armagnaken in Verhandlungen getreten. Die Armagnaken sind erschöpft und haben weder Geld noch Männer, und Ihr seht ja selbst, wie viel Mühe es meinen Lord kostet, in England eine Armee aufzustellen. Wir sind alle bereit für Frieden, und mein Lord wird die Friedensverhandlungen durchfechten. Bevor er seinen Posten verlässt, wird er für Frieden in Frankreich sorgen.»
«Dann müssen wir zurück nach Paris?» Das widerstrebt mir. Ich habe diese Zeit in England genutzt wie ein Schüler seine Lektionen. Ich habe Englisch gelernt, die Bücher aus der Bibliothek meines Lords gelesen, und ich habe einen Gelehrten angestellt, der mit mir die Schriften zur Alchemie liest und sie mir erklärt. Jetzt suche ich eine Kräuterheilkundige, die mir ihre Künste beibringen soll. All das will ich nicht aufgeben, um in den prächtigen Palast in der hungernden Stadt zurückzukehren.
«Ja, wir müssen zurück. Aber wenn Ihr wählen könntet, würdet Ihr lieber bleiben?»
Ich lasse mir einen Augenblick Zeit, um meine Antwort zu überdenken, denn es schwingt etwas in seiner Stimme mit, das mir verrät, wie wichtig ihm die Frage ist. Ich blicke von der Hecke mit den leuchtend roten Hagebutten zwischen den welkenden Blättern zu den fernen Hügeln hinüber, auf denen die Buchen ihr bronzenes Kleid überstreifen. «Es ist ein wunderschönes Land», sage ich. «Und tatsächlich ziehe ich London Paris vor.»
Er strahlt voller Stolz. «Ich wusste es», sagt er triumphierend. «Ich wusste, dass Ihr eine englische Herzogin seid, Ihr wurdet zur Engländerin geboren. Ihr solltet hier leben.»
«Ich fühle mich hier so, als wäre es meine Heimat», gestehe ich. «Mehr noch als Frankreich, ja, sogar mehr als Luxemburg. Die Landschaft ist so schön mit ihren grünen Hügeln. Paris dagegen ist arm, und die Menschen sind so zornig, ich kann gar nicht anders, als England den Vorzug zu geben.»
«Ich habe zu meinem Vater gesagt, im Herzen wärt Ihr Engländerin.»
Ich lächele. «Und was hat Euer Vater gesagt?»
«Er sagte, so eine hübsche Herzogin sollte in England bleiben, wo sie gedeihen kann.»
«Wo lebt Euer Vater?»
«Er hat ein kleines Herrenhaus in Grafton. Unsere Familie lebt dort schon seit vielen Jahren. Er hat Eurem Gemahl, dem Herzog, gedient und davor dem König. Ich glaube, wenn wir nach Frankreich zurückkehren, wird er eine eigene Truppe ausheben und wieder in die Schlacht ziehen, um uns zu unterstützen.»
«Ist es in Grafton wie hier?»
«Genauso schön», erwidert er stolz. «Wisst Ihr, ich wünschte, ich könnte Euch mit nach Grafton nehmen. Ich wünschte, Ihr könntet mein Zuhause sehen.»
Ich werfe ihm einen Blick von der Seite zu. «Das wünschte ich auch», sage ich nach einer ganzen Weile, und dann schweigen wir.
Mein Lord bleibt in London und beordert Richard zu sich. Doch jede Woche treffen Karren mit Wandteppichen, Möbeln und Büchern ein, die er für das neue Haus gekauft hat. Ich warte im Stallhof, während einer dieser Schatzkarren abgeladen wird, da fällt mein Blick auf eine zierliche Frau, die das Kleid einer Städterin und eine bescheidene weiße Haube trägt. Man hilft ihr hinten vom Karren herunter, und sie macht einen Knicks vor mir.
«Ich bin Margery Jourdemayne», sagt sie. «Seine Gnaden hat mich zu Euch geschickt, und dies soll ich Euch als Geschenk überbringen.»
Sie nickt einem jungen Burschen zu, und er springt mit einem Holztablett voller kleiner Tontöpfe vom Karren. In jedem steckt eine Pflanze. Er stellt das Tablett vor mir auf den Boden und läuft zwischen dem Karren und mir hin und her, um noch weitere Tabletts zu holen, bis ich von einer grünen Oase umgeben bin und Mrs. Jourdemayne über meine entzückte Miene lacht. «Er hat gesagt, Ihr würdet Euch freuen», bemerkt sie. «Ich bin Gärtnerin und Kräuterheilkundige. Er hat mich beauftragt, Euch dies zu
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