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Die Mutter der Königin (German Edition)

Die Mutter der Königin (German Edition)

Titel: Die Mutter der Königin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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dem dichten feuchten Laub und ging weiter. Bald hatten sich seine Augen an das silbrige Zwielicht gewöhnt. Sträucher und Bäume ragten im Halbdunkel schwarz vor ihm auf. Ohne das gelbe Licht der Fackel wollte er nicht nach ihr rufen, und so ging er schweigend weiter und ließ den Blick schweifen, während sich Angst in sein Herz schlich: dass er ihr das Reiten nicht richtig beigebracht hatte, dass er das Pferd nicht besser ausgebildet hatte, dass er ihr nicht gesagt hatte, was sie tun solle, wenn sie in solch eine Situation geriet, dass er nicht geahnt hatte, dass so etwas geschehen würde – kurz, dass er auf der ganzen Linie versagt hatte.
    Bei diesem Gedanken, der ihm schrecklich war – denn er hatte sich geschworen, ihr bis zu seinem letzten Atemzug zu dienen und sie zu beschützen –, hielt er inne, lehnte sich an einen Baumstamm und ließ beschämt den Kopf hängen. Sie war seine Lady, er war ihr Ritter, und bei der allerersten Feuerprobe hatte er versagt. Jetzt war sie irgendwo in der Dunkelheit verloren, und er konnte sie nicht finden.
    Er hob den Kopf, und bei dem Anblick, der sich ihm bot, musste er sich die Augen reiben, um ohne Zweifel, ja, ohne den geringsten Zweifel sehen zu können: das glimmende weiße Licht eines Zaubers, einer Schimäre, und mitten darin, schimmernd, ein kleines weißes Pferd, ganz allein im Wald. Doch als es den Kopf wandte und er es von der Seite sehen konnte, fiel sein Blick auf das silberne Horn eines Einhorns. Das weiße Tier sah ihn aus dunklen Augen an und ging dann langsam davon. Es schaute über die Schulter und schritt so langsam aus, dass er ihm folgen konnte. Verzaubert folgte er ihm leise, ließ sich von dem flackernden silbernen Licht leiten, sah die kleinen Hufabdrücke, die wie weißes Feuer zwischen dem Laub aufleuchteten und verblassten, während er folgte.
    Er durfte nicht versuchen, das Einhorn zu fangen, denn davor wurde in allen Sagen gewarnt. Wenn er ihm zu nahe kam, würde es sich gegen ihn wenden und ihn angreifen. Nur ein einziges Wesen auf der Welt konnte ein Einhorn fangen – Bilder davon hatte er seit seiner frühen Kindheit auf einem halben Dutzend Tapisserien und Holzschnitten in Märchenbüchern gesehen.
    Das kleine Tier verließ den Weg, und jetzt hörte er ein Plätschern. Sie kamen an eine Lichtung. Er biss sich auf die Zunge, um nicht aufzuschreien, als er sie erblickte, schlafend wie eine Nymphe, als erwüchse sie dem Wald, am Fuß des Baumes, als wäre sie ein Bett aus Blumen, das grüne Samtkleid um sich ausgebreitet, die braune Haube wie ein Kissen unter ihrem goldenen Haar, ihr Gesicht im Schlaf friedvoll wie eine Blüte. Er blieb stehen und wartete, unsicher, was er tun sollte, und während er so verharrte, trat das Einhorn zu ihr, legte sich neben die schlafende Jungfer und bettete seinen langen, silbern behörnten Kopf sanft in ihren Schoß, wie es in allen Legenden berichtet wird.

    Das Rascheln von Schritten weckt mich. Ich weiß sofort, dass ich mich im Wald verirrt habe und in Gefahr bin, weil ich so dumm war einzuschlafen. Voller Panik wache ich auf, es ist dunkel, ich springe auf, und Merry, die mit gesenktem Kopf neben mir geschlafen hat, dreht sich um und starrt mit gespitzten Ohren in den Wald. Wir sehen die Gestalt eines Mannes, ein dunkler Umriss im Zwielicht. «Wer ist da?», rufe ich und schließe die Hand um meine Peitsche. «Vorsicht! Ich habe ein Schwert!»
    «Ich bin es, Woodville», sagt er und tritt näher, damit ich ihn sehen kann. Er ist blass, als hätte er genauso viel Angst wie ich. «Geht es Euch gut, Mylady?»
    «Mein Gott, Woodville! Wie froh bin ich, Euch zu sehen!» Ich laufe ihm mit ausgestreckten Händen entgegen, und er fällt auf die Knie, nimmt meine Hände und bedeckt sie mit leidenschaftlichen Küssen.
    «Mylady», flüstert er. «Mylady! Gott sei Dank, Ihr seid in Sicherheit! Seid Ihr unverletzt?»
    «Ja, ja, ich habe mich nur ausgeruht, ich bin eingeschlafen, ich war so lange herumgeirrt, um zur Straße zurückzufinden, doch dann war ich so dumm … ich habe mich hingesetzt und bin eingeschlafen …»
    Er erhebt sich. «Es ist nicht weit. Ich habe den ganzen Abend nach Euch gesucht, aber es ist nicht weit.»
    «Ist es schon spät?»
    «Nicht später als elf. Wir alle suchen nach Euch. Der Herzog ist außer sich vor Sorge. Ich habe versucht, Eurer Spur zu folgen … doch ich hätte Euch nie gefunden, wäre da nicht …»
    «Und ist mein Gemahl in Sicherheit? War es ein Hinterhalt?»
    Er

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