Die Mutter der Königin (German Edition)
mich von Duke Humphrey.
«Was hältst du vom König?», fragt mich mein Gemahl, als er an diesem Abend in mein Schlafgemach kommt. Die Laken wurden für ihn aufgeschlagen, die Kissen aufgeschüttelt. Er steigt mit einem erschöpften Seufzen ins Bett, sein faltiges Gesicht ist grau vor Erschöpfung.
«Sehr jung.»
Er lacht kurz. «Wogegen du selbst ja eine alte, verheiratete Dame bist.»
«Jung, selbst für sein Alter», erwidere ich. «Und irgendwie ein wenig zerbrechlich?» Ich beschreibe meinem Mann nicht, wie mir der Junge vorgekommen ist: so zerbrechlich wie Glas, so kalt wie Eis.
Er runzelt die Stirn. «Ich glaube, er ist stark genug, obwohl ich dir recht gebe, dass er schmächtig ist für sein Alter. Sein Vater …» Er unterbricht sich. «Nun, es spielt keine Rolle, was sein Vater war oder wie er als Junge war. Auch wenn mein Bruder Henry weiß Gott ein starker Junge gewesen ist! Jedenfalls ist es jetzt müßig, das zu bedauern, denn dieser Junge wird ihm nachfolgen. Er wird groß werden müssen. Und was hältst du von meinem Bruder?»
Meine spontane Antwort verkneife ich mir. «Ich glaube nicht, dass ich schon einmal jemandem wie ihm begegnet bin», sage ich wahrheitsgemäß.
Er lacht laut heraus. «Ich hoffe, er hat nicht auf unangemessene Art und Weise mit dir gesprochen?»
«Nein, er war ausgesucht höflich.»
«Er bildet sich ein, er könnte jede Frau der Welt haben. Er hat uns in Frankreich beinahe ruiniert, als er Jacqueline, Comtesse de Hainault, umwarb. Es war meine Rettung, als er ihre Hofdame verführte und mit ihr nach England durchbrannte.»
«War das die Herzogin Eleanor?»
«Ja. Gütiger Gott, was für ein Skandal! Man munkelte, sie hätte ihn mit Liebestränken und Hexerei betört. Und Jacqueline erklärte, sie wäre doch mit ihm verheiratet und nun habe er sie ganz allein in Hainault zurückgelassen! Typisch für Humphrey, aber Gott sei Dank hat er sie verlassen und ist nach England zurückgekehrt, wo er keinen Schaden anrichten kann, jedenfalls keinen großen.»
«Und Eleanor?», frage ich. «Ist sie jetzt seine Frau?»
«Erst war sie die Hofdame seiner Gemahlin, dann seine Hure, jetzt ist sie seine Frau – wer weiß, was sie in ihrem Herzen ist?», bemerkt mein Ehemann. «Meine Freundin ist sie jedenfalls nicht. Ich bin der älteste Bruder und somit der Thronerbe. Wenn König Henry – Gott behüte! – etwas zustößt, dann erbe ich die Krone von England und Frankreich. Humphrey kommt nach mir an zweiter Stelle. Manchmal sieht sie mich an, als wünschte sie mich weit fort. Sie betet sicher, dass du keinen Sohn bekommst, der sie noch einen Schritt weiter vom Thron fortrücken würde. Kannst du mit deiner Gabe herausfinden, ob sie magische Sprüche wirkt? Hat sie Talent? Will sie mir übel?»
Ich denke an die Frau mit ihren funkelnden Saphiren, dem blendenden Lächeln und den kalten Augen. «Ich sehe nichts mit Gewissheit, außer Stolz, Eitelkeit und Ehrgeiz.»
«Das ist schlimm genug», findet mein Lord gut gelaunt. «Aber sie kann jemanden anheuern, um Zauber zu wirken. Was meinst du, soll ich sie beobachten lassen?»
Ich sehe die beiden vor mir, die funkelnde Frau und ihren schnittigen, flüsternden Gemahl. «Ja», bestätige ich und denke daran, wie weit dieser Hof von meiner Kindheit und Jugend in den sonnigen Burgen Frankreichs entfernt ist. «Ja, an deiner Stelle würde ich sie beobachten lassen. Alle beide.»
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Penshurst
HERBST 1433
D en ganzen Sommer über spricht mein Lord mit einem großen Mann nach dem anderen, und als die Angst vor der Pest verebbt, wie immer zu dieser Jahreszeit, und das Parlament nach London zurückkehrt, trifft er sich mit den Männern aus den Grafschaften und bittet sie um Geld für die Feldzüge in Frankreich. Er fleht seinen Onkel, den Kardinal, um Unterstützung an, und er bringt seinen Bruder dazu, den jungen König in diesem Sinne zu beraten. Allmählich begreifen sie, welchen Dienst er dem Land erwiesen hat, und sie sagen, sie seien ihm so dankbar, er könne sein Amt niederlegen und sich zur Ruhe setzen. Er könne seine Regentschaft in Frankreich beenden und nach England in sein neues schönes Haus zurückkehren.
«Er kommt nicht», prophezeit Woodville. Wir reiten auf den grünen Feld- und Wiesenwegen von Penshurst in Kent. Seit Tagen warten wir darauf, dass mein Lord London verlässt und sein neues Haus bezieht. «Er kommt jetzt nicht, und er bleibt auch nicht in England, obwohl sie ihm alle sagen, er habe
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