Die Mutter der Königin (German Edition)
den ersten Tag der Reise in den Sattel.
Es ist ein kalter, feuchter Ritt, und wir unterbrechen die Reise in der stark befestigten Burg von Gisors, wo ich in der Nacht von einem schrecklichen Krächzen aus dem Schlaf gerissen werde. Mein Gemahl schlägt im Bett mit Armen und Beinen um sich und schnappt keuchend nach Luft, als schnürte ihm jemand die Kehle zu. Ich springe auf und zünde am offenen Kamin eine Kerze an. Er zerrt an seinem Nachtgewand, er bekommt keine Luft. Ich reiße die Schlafzimmertür auf, rufe nach meiner Magd und schicke sie nach Woodville und dem Leibdiener meines Mannes.
Wenige Augenblicke später ist unser Gemach voller Männer, die meinen Gatten hochwuchten und die Fenster aufreißen, um frische Luft hereinzulassen. Sein Arzt kommt mit einer alchemistischen Tinktur, und mein Lord trinkt, atmet tief durch und trinkt noch einmal.
«Es geht mir gut, es geht mir gut», krächzt er und winkt der Menge fort, die sich im Zimmer drängt und die Tür belagert. «Geht weg. Geht alle zurück in eure Betten, es ist alles in Ordnung.» Ich bemerke, wie der Arzt Woodville ansieht, als wüssten sie beide, dass das eine Lüge ist, um die Leute zu beruhigen, doch Woodville scheucht sie alle aus dem Zimmer und weist einen Mann an, sich für alle Fälle vor der Tür bereitzuhalten. Schließlich sind der Arzt, mein Lord, Woodville und ich allein.
«Ich lasse den Arzt aus Paris holen», sagt Woodville zu meinem Gemahl. «Habt keine Angst, ich schicke gleich nach ihm.»
«Ja», sagt er schwer atmend. «Mir liegt eine Last auf der Brust, tonnenschwer wie Blei. Ich bekomme kaum Luft.»
«Glaubt Ihr, Ihr könnt schlafen?»
«Wenn Ihr mir genug Kissen unterschiebt, denn flach liegen kann ich nicht. Ich bin müde, Richard, ich bin so müde wie ein geprügelter Hund.»
«Ich werde vor Eurer Tür schlafen», versichert Woodville ihm. «Die Herzogin kann mich rufen, falls Ihr noch einmal aufwacht.»
«Sie sollte woanders schlafen», widerspricht mein Gemahl. «Dies ist kein Ort für sie.»
Die drei sehen mich an, als wäre ich ein Kind, das man nicht ängstigen möchte. «Ich bleibe bei Euch», sage ich. «Und morgen mache ich Euch einen Trank mit Zitrone und Petersilie, der Euch beim Atmen hilft.»
Mein Lord sieht mich an. «Du bist mein größter Schatz», sagt er. «Aber für heute Nacht gehst du zum Schlafen zu deiner Kammerfrau. Ich will dich nicht noch einmal wecken.»
Ich wickele mich in einen warmen Umhang und ziehe mir die Pantoffeln an. «Ruft mich, wenn es meinem Lord wieder schlechter geht», bitte ich Woodville.
Er verneigt sich. «Ja, Mylady. Ich schlafe auf der Pritsche auf dem Boden neben ihm, damit ich über ihn wachen kann.»
Ich gehe zur Tür, doch mein Lord hebt die Hand und heißt mich warten. «Stell dich dorthin», bittet er mich.
Ich trete, wie mir geheißen, an das offene Fenster, und die kalte Nachtluft strömt herein. «Löscht das Licht», befiehlt er. Die Männer pusten die Kerzen aus. Der Mond scheint weiß und klar ins Zimmer, fällt auf mein Haupt und meine Schultern und bringt mein helles Nachthemd zum Leuchten. Ich sehe, dass Woodville mir rasch einen heimlichen Blick zuwirft, einen sehnsuchtsvollen Blick, bevor er schnell wieder wegschaut.
«Melusine und der Mond», sagt mein Lord leise.
«Jacquetta», erinnere ich ihn. «Ich bin Jacquetta.»
Er schließt die Augen, er schläft.
Zwei Tage später geht es ihm wieder ein wenig besser. Man bringt ihm einen Brief aus der Garnison in Calais, den er schweigend liest, während wir in der großen Halle beim Frühstück sitzen. Er sieht sich nach Woodville um.
«Schwierigkeiten in Calais», sagt er. «Ihr reitet besser hin und bringt die Männer zur Vernunft, und dann kommt Ihr zu mir zurück.»
«Werden sie angegriffen?», fragt Woodville ruhig, als hätte er nicht soeben den Befehl erhalten, sich unbekannten Gefahren zu stellen.
«Sie haben wieder einmal keinen Sold bekommen», erklärt mein Lord. «Ich gebe Euch einen Wechselbrief auf mein privates Vermögen mit, um sie zufriedenzustellen. Ich schreibe nach England und bitte um Geld.»
Woodville sieht mich nicht an. «Könnt Ihr nach Rouen weiterreisen?», fragt er.
«Ja», antwortet mein Gemahl.
«Ich stehe ihm bei», sage ich. Aber es ist, als hätte ich nichts vorgebracht. Die Männer schenken mir nicht die geringste Beachtung.
«Dann geht», sagt mein Lord kurz.
Woodville umklammert die Hand meines Mannes, dann sieht er mich ganz kurz an.
Nicht zum ersten Mal
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