Die Mutter der Königin (German Edition)
denn er stirbt im Schlaf in jener Nacht. So war das das Letzte, was er von mir gesehen hat: keine liebende Gemahlin, sondern eine Statue, die von der untergehenden Sonne vergoldet wird.
Früh am nächsten Morgen rufen sie mich, und ich gehe in sein Gemach und finde ihn fast so vor, wie ich ihn verlassen habe. Er scheint friedlich zu schlafen. Doch das langsame Schlagen einer Glocke im Turm der Kathedrale von Rouen verkündet dem Haushalt und der Stadt, dass der große Lord John gestorben ist. Dann kommen die Frauen, die seinen Körper waschen, und der Haushofmeister bereitet seine Aufbahrung in der Kathedrale vor, der Tischler bestellt Holz für seinen Sarg, und nur Richard Woodville denkt daran, mich von dem geschäftigen Tun fortzubringen und mich, benommen und stumm, wie ich bin, in meine Gemächer zu geleiten.
Er lässt mir ein Frühstück bringen, überantwortet mich meinen Ladys und ermahnt sie, darauf zu achten, dass ich etwas zu mir nehme und danach ruhe. Bald werden die Schneiderinnen kommen, um uns die Trauerkleidung anzupassen, der Schuster wird mir schwarze Schnabelschuhe machen. Der Handschuhmacher wird Dutzende schwarzer Handschuhe anfertigen, die ich in meinem Haushalt verteilen werde. Man wird schwarzen Stoff bestellen für den Weg zur Kathedrale und schwarze Umhänge für die hundert armen Männer, die gedungen werden, seinem Sarg zu folgen. Mein Lord wird in der Kathedrale zu Rouen beigesetzt, mit einer langen Prozession von Lords und einer großen Trauermesse, und alles muss genau so ausgeführt werden, wie er es wollte, mit Würde, im englischen Stil.
Ich verbringe den Tag damit, allen zu schreiben, um den Tod meines Gemahls bekannt zu geben. Ich schreibe meiner Mutter, um ihr zu sagen, dass ich jetzt Witwe bin wie sie: Mein Lord ist verstorben. Ich schreibe dem König von England, dem Herzog von Burgund, dem heiligen römischen Kaiser deutscher Nation, anderen Königen und auch Jolanthe von Aragón. In der übrigen Zeit bete ich und nehme in unserer privaten Kapelle an allen Gottesdiensten des Tages teil, während die Mönche in der Kathedrale von Rouen alle Stunden des Tages und der Nacht über dem Leichnam meines Gemahls wachen und beten. Vier Ritter haben in allen Himmelsrichtungen Posten bezogen. Diese Totenwache endet erst mit seiner Bestattung.
Ich warte, falls Gott mir Führung geben will, ich warte auf den Knien, falls mir die Einsicht kommt, dass mein Gemahl zu seiner Belohnung gerufen wurde oder endlich in das Land gekommen ist, das er nicht verteidigen muss. Doch ich höre und sehe nichts. Nicht einmal Melusine singt eine Totenklage. Habe ich meine Gabe verloren? Waren die kurzen Blicke in den Spiegel die letzten Eindrücke einer anderen Welt, die ich nie wieder sehen werde?
Am Abend, um die Stunde des Sonnenuntergangs, kommt Richard Woodville zu mir, um mich zu fragen, ob ich in der großen Halle der Burg unter den Männern und Frauen unseres Haushaltes oder allein in meinen Gemächern speisen werde.
Ich zögere.
«Wenn Ihr glaubt, in die Halle kommen zu können, so würde Eure Anwesenheit sie aufmuntern», sagt er. «Viele sind in tiefer Trauer um unseren Lord, deswegen würden sie Euch gerne unter ihnen sehen. Außerdem wird Euer Haushalt aufgelöst, und sie würden Euch gern sehen, bevor sie gehen müssen.»
«Der Haushalt wird aufgelöst?», frage ich töricht.
Er nickt. «Natürlich, Mylady. Der englische Hof wird einen neuen Regenten für Frankreich ernennen, und Ihr werdet zum englischen Hof entsandt, wo man eine neue Ehe für Euch arrangieren wird.»
Ich bin bestürzt. «Ich kann nicht daran denken, noch einmal zu heiraten.»
Es ist unwahrscheinlich, dass ich noch einmal einen Gemahl finde, der mich um nichts anderes bittet als meinen nackten Anblick. Der nächste Mann wird fordernder sein, er wird sich mir aufzwingen, und er wird sicherlich wohlhabend sein, mächtig und alt. Aber der nächste alte Mann wird mich nicht in Ruhe lernen lassen, er wird einen Sohn und Erben von mir wollen. Er wird mich kaufen wie eine Färse, die dem Bullen zugeführt werden soll. Ich kann mich wehren, wie eine Färse auf der Weide, er wird mich doch besteigen. «Wirklich, ich ertrage es nicht, noch einmal verheiratet zu werden.»
Er lächelt bitter. «Wir werden beide lernen müssen, einem neuen Herrn zu dienen», sagt er. «Weh über uns.»
Ich bin still, dann sage ich: «Wenn Ihr glaubt, dass es allen gefallen würde, werde ich in der Halle zu Abend essen.»
«Das würde es»,
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